Tier gegen Maschine – Wer kann Krankheiten besser erkennen?

Tiere können Krankheiten erkennen
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Krankheiten möglichst frühzeitig und genau zu erkennen – das ist die Aufgabe der Diagnostik. Dabei werden verschiedene Hilfsmittel eingesetzt wie die Analyse unseres Blutes, Urins oder Stuhlgangs, aber auch MRT, CT und andere tomographische, ultraschall- oder röntgenbasierte Bild-Diagnosesysteme.

Vielfach wurden auch Einzelfälle berichtet, in denen Tiere bei Frau- oder Herrchen Krebs oder andere Krankheiten erkannt haben. Hier ist der Geruchssinn angesprochen. Hunde haben ja bekanntlich erheblich mehr Riechzellen (200-300 Mio.) als wir Menschen (5 Mio.) und ihr Geruch ist 10-20.000mal stärker entwickelt. Noch immer sind Hunde unschlagbar beim Erschnüffeln von Drogen oder Sprengstoffen. Warum nicht auch bei Krankheiten?

Hier einige Beispiele von Tieren, die in Zeitschriften berichtet wurden:

➡ Ein sibirischer Husky verhält sich seiner Besitzerin gegenüber ungewöhnlich. Bei ihr wird Eierstockkrebs diagnostiziert und sie bringt das ungewöhnliche Verhalten ihres Hundes damit zusammen. Im weiteren Verlauf brach der Krebs nach der Ersttherapie noch zweimal aus, diesmal konnte die Besitzerin das Verhalten bereits lesen und ist sofort zum Arzt gegangen.

➡ Eine Katze hat sich bei ihrer Besitzerin auf die Brust gelegt, auch unüblich. Bei ihr wurde Brustkrebs diagnostiziert.

➡ Auch Fruchtfliegen konnten Brustkrebs erkennen.

➡ Überhaupt Insekten: Bienen wittern Bomben.

➡ Die Riesenhamsterratte wird in Mosambik und Tansania eingesetzt zur Diagnose von Tuberkulose.

➡ Die größte Gruppe eingesetzter Diagnosehelfer und deshalb mit am besten untersucht sind zweifellos die Hunde. Sie können sehr viele verschiedene Erkrankungen erkennen wie verschiedene Krebsarten, Malaria, bakterielle und virale Infektionen. In der SARS-CoV 2 Pandemie wurden sie für die Erkennung von Infizierten eingesetzt, beispielsweise in Helsinki am Flughafen. Auch Long Covid können die Tiere erkennen. Hunde können neben Krankheiten auch Gefühle erschnüffeln wie Angst, ja sie können sogar riechen, wenn ein Mensch stirbt.

Bei Hunden ist die Diagnostik nicht auf den Atem beschränkt, auch Urin, Schweiß oder der Stuhl können wertvolle Erkenntnisse liefern, beispielsweise Urinproben für die Erkennung von Prostatakrebs (Trefferquote immerhin 70 -76%). Neben der Diagnostik hat man Hunde sogar dazu genutzt, Warnungen weiterzugeben, etwa bei Epileptikern und Diabetikern. Bei zu niedrigem Blutzuckerspiegel können Hunde darauf trainiert werden, Hilfe zu organisieren oder den Diabetiker selbst zu warnen.

Das wäre doch eine tolle Sache, wenn unsere Gerüche als neues Medium der Diagnostik dazu beitragen könnten, Krankheiten schneller oder besser zu erkennen. Apropos Insekten: In einer erst kürzlich (Mai 2022) erschienenen Vorabpublikation haben Wissenschaftler der Michigan State University Heuschrecken zur Erkennung von Krebs genutzt – allerdings in einem etwas gruselig anmutenden Versuchsaufbau. Man trennte die Fühler und Gehirne vom übrigen Körper, setzte Elektroden ins Gehirn ein und ließ die Fühler und Gehirne wie Cyborgs die Diagnostik durchführen.

Auch die Entwicklung von Maschinen, die feinste Gerüche aufnehmen und auch unterscheiden können, ist voll im Gange. Weit über 100 Publikationen zu diesem Thema demonstrieren die Forschungsaktivität zahlreicher Gruppen, die sich die Atemluft für Diagnosen zunutze machen wollen, Stichwort „elektronische Nasen“. Die Tierdiagnostik hat dabei Vor- und Nachteile. Tiere können einzelne Moleküle erschnüffeln, davon sind wir mit Maschinen bei unserer Atemluft noch etwas entfernt. Das Problem bei Tieren ist, dass wir nicht ihre Sprache sprechen, deshalb ist es schwierig, ihre Reaktionen korrekt zu lesen und zu verstehen. Wir können nur aus unterschiedlichem Verhalten von Tieren darauf schließen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Aber was genau ist nicht in Ordnung? Ist es ein spezifischer Krebs, ist es ein Virus, ein Parasit, eine Bakterie oder ein Pilz? Diese Differenzierung können Tiere nur dann durchführen, wenn sie speziell trainiert wurden oder wir ihre Sprache besser verstehen. Bei den Heuschrecken wurden die Reaktionen auf 3 verschiedene Arten von Mundkrebszellen sowie auf gesunde Zellen getestet, und die Heuschrecken reagierten jedes Mal unterschiedlich. Die den Zellen entströmenden Gase habe in jedem Fall je Zellart eine unterschiedliche Zusammensetzung.

Im Augenblick werden für eine differenzierte Diagnostik noch 10 Heuschreckengehirne benötigt, aber die Forscher wollen bis auf 1 Gehirn reduzieren. Inwieweit sogar durch die Tiere eine individuelle Diagnostik ermöglicht werden kann, also nicht nur die Art des Krebses, sondern auch seine ganz individuelle Entwicklung erkennbar ist – das wird wohl weiteren Untersuchungen vorbehalten sein.

Wir sind gespannt auf weitere Erkenntnisse und werden in jedem Fall darüber berichten. Gern könnt Ihr uns auch eure eigenen Erlebnisse mit Tieren und Krankheitserkennung unten in den Kommentaren mitteilen.

Links:
Originalpublikation Heuschrecken
Farnum A et al: Harnessing insect olfactory neural circuits for noninvasive detection of human cancer, bioRxiv preprint doi: https://doi.org/10.1101/2022.05.24.493311

Bericht auf deutsch
Stella-Sophie Wojtczak in T3N: https://t3n.de/news/heuschrecken-krebs-gehirn-riechen-1480937/

Einzelfallberichte
https://www.deine-tierwelt.de/magazin/krebs-erschnueffelt-tiere-koennen-leben-retten/

https://www.deutschlandfunk.de/tiere-erschnueffeln-krankheiten-mr-keane-lernt-riechen-100.html

https://www.geo.de/natur/tierwelt/17690-rtkl-haustiere-hunde-koennen-menschliche-angst-riechen

https://midogguide.com/de/diseases/how-do-dogs-behave-when-they-smell-cancer.html

https://de.nachrichten.yahoo.com/vor-krebs-diagnose-katze-versucht-besitzerin-zu-warnen-143046973.html

https://www.prostata-hilfe-deutschland.de/prostata-news/elektronische-hundenase-erschnueffelt-prostatakrebs

https://www.nordkurier.de/nachrichten/ticker/corona-spuerhunde-koennen-auch-long-covid-erkennen-1748583906.html

https://www.nordkurier.de/aus-aller-welt/spuerhunde-koennen-corona-infektion-erschnueffeln-2144782608.html

https://www.rtl.de/cms/epilepsie-co-wie-hunde-krankheiten-erschnueffeln-koennen-4801672.html

https://www.futura-sciences.com/de/hunde-koennen-den-geruch-von-tumoren-mit-97-zuverlaessigkeit-erkennen_4097/

https://www.br.de/nachrichten/wissen/tierische-diagnose-wie-hunde-nicht-nur-corona-pandemie-viren-erkennen,SBUnEsf

https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2019/04/lebensretter-wie-hunde-krebs-und-diabetes-erschnueffeln

https://www.technologyreview.com/2006/12/07/227361/using-bees-to-detect-bombs/

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