Hippokrates von Kos – Der Vater der europäischen Heilkunde

Hippokrates
4.3
(3)

Der Überlieferung nach wurde Hippokrates um das Jahr 460 v.Chr. in Astypalaia geboren, der alten Hauptstadt der Insel Kos in der Ägäis. Er entstammte einer traditionsreichen Familie von Ärzten, weshalb sein Weg schon früh vorgegeben war. Entsprechend erhielt er die bestmögliche Ausbildung sowohl von familiärer Seite als auch von angesehenen Lehrern. Der Grundstein für seine spätere Karriere war damit also gelegt.

Aber auch ein Hippokrates hat erst einmal ganz klein angefangen. So ging er nach Abschluss seiner Ausbildung erst einmal auf Wanderschaft. Seine Reisen führten ihn zunächst auf das griechische Festland, später aber auch nach Kleinasien und Ägypten. Er arbeitete als wandernder Arzt und nutzte die Gelegenheit, seine Fähigkeiten zu verbessern und seinen Horizont zu erweitern. Dazu ließ er sich von seinen Beobachtungen vor Ort und den regionalen Sitten und Vorstellungen inspirieren.

Nach seiner Rückkehr nach Kos trug Hippokrates all diese Erfahrungen zusammen und – was noch viel wichtiger war – gab sie an die Studierenden der örtlichen medizinischen Schule weiter. Damit wurde er schnell über die Grenzen von Kos hinaus bekannt. Er erhielt Anfragen von Kollegen, die ihn um medizinischen Rat baten, und beantwortete diese überaus gewissenhaft. So konnte sich seine Expertise weit im Mittelmeerraum verbreiten. Aber Hippokrates war auch persönlich vor Ort, wenn seine persönliche Anwesenheit vonnöten war. So soll er beispielsweise Perdikkas II., den König von Makedonien, geheilt und bei der Bekämpfung einer Epidemie in Athen geholfen haben.

Das Corpus Hippocraticum und die Viersäftelehre

Viersäftelehre nach Hippokrates

Das sogenannte Corpus Hippocraticum ist eine Sammlung von insgesamt 61 Werken, die ursprünglich Hippokrates selbst zugeordnet wurden. Heute ist man sich aber sicher, dass die Schriften von ganz unterschiedlichen Autoren aus sechs Jahrhunderten stammen. Ob Hippokrates selbst eines oder mehrere dieser Dokumente verfasst hat, wissen wir nicht genau. Allerdings befassen sie sich alle mit den von ihm aufgestellten Lehren. Darum hat man den Namen dieser Schriftsammlung auch beibehalten.

Es handelt sich dabei um ganz unterschiedliche Stilformen. Teils handelt es sich ganz klar um Leitlinien und Hilfestellungen für Ärzte, teils um Wissenswertes für medizinische Laien. Von hochphilosophischen Abhandlungen bis zu listenhaften Anweisungen zur Behandlung konkreter Krankheiten ist alles dabei.

Besonders häufig wird jedoch die sogenannte Viersäftelehre beschrieben. Diese hatte Hippokrates zu Lebzeiten aufgestellt. Dreh- und Angelpunkt der menschlichen Gesundheit sind dabei die vier angeblichen Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle. Seiner Ansicht nach lassen sich sämtliche Krankheiten auf ein Ungleichgewicht dieser Körpersäfte zurückführen und entsprechend behandeln. Bis in die Frühe Neuzeit wurde nach diesem Prinzip mit Aderlässen, Schröpfen, Abführmitteln, Diäten, Arzneimitteln und operativen Eingriffen behandelt. Zwar ist diese Theorie heutzutage natürlich widerlegt, allerdings bildete sie den Grundstein für die europäische Heilkunde.

Die philosophischen Ansichten des Hippokrates

Seine Behandlungsmethoden mögen heute überholt sein, doch Hippokrates hat der Medizin etwas viel Wichtigeres hinterlassen: Seine philosophischen Grundsätze. So ist er nämlich de facto der Urvater der modernen Diagnostik. Seiner Meinung nach musste jedweder Behandlung eine umfassende Beobachtung und Befragung des Patienten vorausgehen. Körperbau, Konstitution, Lebensumstände, Ernährung, die seelische Situation – all das war Teil der hippokratischen Anamnese. Ein Ansatz der bis heute praktiziert wird.

Auch unvergessen ist jedoch der berühmte Eid des Hippokrates, dem jeder praktizierende Arzt verpflichtet ist. Nach Meinung des Hippokrates sollte ein Arzt nämlich ein Paradebeispiel für moralische Erhabenheit und Integrität darstellen. Um dies sicherzustellen, formulierte er den berühmten Eid. Der wurde zwar über die Jahrhunderte vielfach angepasst, gilt in seinen Grundsätzen aber weiterhin.

Der Vollständigkeit halber haben wir den ursprünglichen Wortlaut einmal für euch nachgeschlagen:

▼ Der Eid des Hippokrates ▼
    1. Ich schwöre und rufe Apollon den Arzt und Asklepios und Hygia und Panakia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen an, das ich diesen Eid und diesen Vertrag nach meiner Fähigkeit und nach meiner Einsicht erfüllen werde.
    2. Ich werde den, der mich diese Kunst gelehrt hat, gleich meinen Eltern achten, ihn an meinem Unterhalt teilnehmen lassen, ihm, wenn er in Not gerät, von dem Meinigen abgeben, seine Nachkommen gleich meinen Brüdern halten und sie diese Kunst lehren, wenn sie zu lernen verlangen, ohne Entgelt und Vertrag. Und ich werde an Vorschriften, Vorlesungen und aller übrigen Unterweisung meiner Söhne und die meines Lehrers und die vertraglich verpflichteten und nach der ärztlichen Sitte vereidigten Schüler teilnehmen lassen, sonst aber niemanden.
    3. Ärztliche Verordnungen werde ich treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.
    4. Auch werde ich niemandem ein tödliches Mittel geben, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde, und werde auch niemanden dabei beraten; auch werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben.
    5. Rein und fromm werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren.
    6. Ich werde nicht schneiden, sogar Steinleidende nicht, sondern werde das den Männern überlassen, die dieses Handwerk ausüben.
    7. In alle Häuser, in die ich komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen, frei von jedem bewussten Unrecht und jeder Übeltat, besonders von jedem geschlechtlichen Missbrauch an Frauen und Männern, Freien und Sklaven.
    8. Was ich bei der Behandlung oder auch außerhalb meiner Praxis im Umgang mit Menschen sehe und höre, das man nicht weiterreden darf, werde ich verschweigen und als Geheimnis bewahren.
    9. Wenn ich diesen Eid erfülle und nicht breche, so sei mir beschieden, in meinem Leben und in meiner Kunst voranzukommen, indem ich Ansehen bei allen Menschen für alle Zeit gewinne. Wenn ich ihn aber übertrete und breche, so geschehe mir das Gegenteil.

 

Sämtliche Beiträge dieser Reihe findet ihr unter dem Schlagwort Pioniere der Medizin.

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Kommentar verfassen