Ein Gastartikel von Volker Schrader
Akt 3: Die Moderation der beschriebenen Antagonismen
„Moderation ist ein Instrument, welches die Kommunikation in Teams in der Art und Weise unterstützt und ordnet, dass die Ressourcen der Teilnehmer bestmöglich zum Einsatz kommen.“ Prof. Thomas Bartscher
Von dieser Definition ausgehend hat mein dritter Teil die Aufgabe, die im ersten Teil beschriebenen Phantome und die im zweiten Teil beschriebenen Teufelskreise nicht für sich stehen zu lassen, sondern zum einen Ursachenwissen zu fördern und zum anderen Potentiale aufzuzeigen, die es ermöglichen, Ressourcen aus den Inhalten zu gewinnen. Ich betrachte dabei den Leser als Teil des Teams, weil er bis zu diesem dritten Akt durchgehalten hat, ihn somit die von mir dargestellten Inhalte interessieren für einen gemeinsam zu beschreitenden Weg.
Moderation I: Wahrhaftigkeit
Inzwischen ist das allgemeine gesellschaftspolitische und wirtschaftliche System an die Grenzen der Globalisierung gestoßen, so dass durch den sinnlosen Versuch der Ausweitung des Marktes dessen Selbstzerstörung eingeleitet wird. Die Zahl der Kriege steigt rapide, neokoloniale Attitüden erzeugen den Widerstand der inzwischen selbstbewussten Schwellenländer, die Versammlung der BRICS (Abkürzung für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) Staaten initiiert eine multipolare Welt. Die Destruktivkräfte haben wieder das Heft in der Hand und führen munter Krieg oder provozieren ihn oder freuen sich darüber, wenn andere in aufgestellte Fallen stolpern, die sie dann zu alleinigen Schuldigen stempeln. Das freut die Rüstungsindustrie, denn das mantrische Friedensgemurmel hat die Renditen doch oft unerfreulich reduziert. Das mobilisiert die Marketingkräfte in den Konzernen, die wiederum die Lobbyisten nach Berlin und in alle anderen Hauptstädte der Länder schicken, die Einfluss nehmen können auf die Weltpolitik. Auf jeden Bundestagsabgeordneten kommen 2,5 Lobbyisten. So wundert es nicht, dass ehemalige Parteien der Arbeiter wie die SPD, oder eine ehemalige Friedenspartei wie die Grünen mal eben schnell das Hemd wechseln, denn teuren Schampus trinken kann ja nicht verkehrt sein.
Und so kommt es, dass, statt angeblich das Klima zu schützen das Land deindustrialisiert und gleichzeitig eine neue Industrie erzeugt wird, die den Markt wie nach einem Krieg erneuert. Mit Klimaschutz hat das wenig zu tun, aber mit der Schaffung einer neuen Elite, die halbgebildet unser Land steuert. Und wer bezahlt das? Der Bund ist pleite. Die Visagistin und der Hoffotograf von Baerbock und Habeck sind ganz schön teuer. Und der totale Krieg als letzte Hoffnung einer bipolaren Welt ist eh unbezahlbar. Also sind wir dran, die Bürger. Nachdem man seit Jahrhunderten den Profit aus uns herausgemolken hat, lässt man uns auch bei den Erneuerungen den Vortritt. Das Konsumverhalten ist nicht das Problem, denn das ist systemrelevant, aber die steigende Zahl von Autofahrern kompensiert leider das, was als Emissionsreduktion geschaffen wird. Aus dem Widerspruch kommt man nicht mehr raus. Aber die Innovationen müssen bezahlt werden, eine neue Industrie auch. Dafür soll der schuldige Homo Consumensis blechen. Zu diesem Zweck muss man den Bürgern Schuldgefühle einjagen:
Ihr bösen Rußpartikel Schleuderer; Ihr verdammten SUV-Fahrer; Ihr widerlichen Fleischfresser; Ihr gewissenlosen Stromverbraucher: Ihr seid schuld und ihr müsst zahlen!
Und jetzt kommt auch noch eine Clique von bürgerlichen Kids auf die Idee, sie könnten bei ihren kurzsichtigen Ideen auf der Straße Gewalt anwenden gegen ihre Mitbürger und deren Eigentum? Wenn das nicht krankmacht! Die einsame Rentnerin im Altenheim liest morgens in der Zeitung die Nachricht, dass sie an allem Schuld ist, weil sie zu viel Wäsche gewaschen hat in ihrem Leben und jetzt damit Schluss ist. Diese unwahren und gewalttätigen Narrative und Ideologien sind pure Körperverletzung.
Verlogene, manipulative Propaganda im Sinne persönlicher finanzieller Interessen ist vermeidbar. Man kann und darf die Wahrheit auch vertreten, muss sich dabei allerdings von einem Weltverständnis von Gut und Böse verabschieden.
Der Mensch als Ware lebt im Zeitalter des Narzissmus, wie gesagt, stark ist er als Comicfigur in der Marvelwelt. Ist er unsicher, wird er zerfleddert und auf den Müll geworfen.
Die erste Moderationsmöglichkeit besteht also in der Möglichkeit zur Wahrhaftigkeit. Sie macht uns gesünder.
Moderation 2: No More Heroes
Das politische interessengebundene Marketing besitzt viele Fangarme. Eine große Baustelle tut sich im Bereich der Bildung und Wissenschaft auf. Die Bildungsmisere in unseren Schulen ist nicht mehr zu leugnen. Die Qualität der Schulabgänger lässt zu wünschen übrig, die unmenschliche Ausbeutung des Lehrpersonals ist obszön, die Infrastruktur der Schulen erleidet bald das Schicksal der maroden Autobahnbrücken und des Gesundheitssystems. Und jetzt möchten unsere Bildungspolitiker uns tatsächlich erklären, dass ihnen die Zukunft Deutschlands am Herzen liegt, dass die Jugend ihre Hoffnung wäre.
Lernen ist soziales Lernen, damit ich beim Speichern der Informationen wenigstens erkennen und einschätzen kann, wofür das Wissen überhaupt Sinn macht. Leistungsbereitschaft ohne Sinnerzeugung macht krank. „Wer wird Millionär“ ist eine Unterhaltungssendung. Da geht’s nicht ums Bewusstsein, sondern um Speicherkapazitäten des Gehirns. Mehr wird nicht verlangt in den Bildungssystemen, sonst würde man ja erkennen, wie man barbiert wird. Da wird Geschichte mal eben umgeschrieben, der historische Prozess geleugnet, Ganzheitlichkeit beschworen und Klitterung praktiziert.
Weitet man den Blick aus auf das Gesundheitssystem, dann sieht man ähnlich wie in der Schule viel zu wenig Personal in Krankenhäusern und Heimen, alles schön ausgestattet mit neuster Technologie. Um uns Kranke geht es nie. Auch während der Pandemie nicht. Es gab genug Intensivstationen, aber es mangelte am Personal und trotzdem konnte man mal eben 5 Jahre lang ein unerprobtes Vakzin von 80 Mio. Dosen vorbestellen, zur Rettung von uns allen. Ich hoffe, es hat geholfen trotz nachfolgender Infektion. Das alles hat mit Wissenschaft überhaupt nichts zu tun. Es gibt nur Produktionsfabriken im Interesse des Gewinns und die Wiederbelebung von narzisstisch gestörten Persönlichkeitsstrukturen, denn zuhause erlebt man in der Familie die Grenzen der Macht. Geld macht eben nicht glücklich und am Arbeitsplatz muss der Wettbewerber in Folge flachgelegt werden. Unsere eitlen Kopfgockel in den Universitäten halten sich für die Wiedergeburt des Messias.
Niemand kann ohne Geld aus der Industrie Forschung betreiben, und wer nicht das gewünschte Ergebnis zusammenschreiben kann, bekommt keine Gelder mehr.
Für Gesellschafts- und Geisteswissenschaften gibt es so gut wie keine Gelder. Die Forschungsergebnisse dieser Disziplinen könnten Durchblick fördern. Grund- und Allgemeinbildung ist überflüssig. Unsere Kinder sollen gleich zu uniformierten Zombies erzogen werden, die hinterher den richtigen Knopf drücken können. Es geht hier um Kopfarbeit und nicht um Wissen.
Unsere vielfachen medienwirksamen Experten machen ihren Bla Bla Job und wenn nicht im Sinne der Auftraggeber, war es dann das letzte Mal.
Wissenschaftler, die auf der Basis ihrer Forschung zu anderen Ergebnissen kommen, werden gemobbt und entlassen, wie jüngst Herr Kekule´ und viele weitere vor ihm. Diese Menschen wurden während der Corona Pandemie als Verschwörungstheoretiker beschimpft und zu Komplizen der Capitol Stürmer gemacht. Das ist reiner Rufmord. Das ist die leibhaftige, skrupellose Zerstörung eines Wettbewerbers.
Das gilt für alle Bereiche der Heilberufe: Vertreter der energetischen Therapien können selten behaupten, sie wären bewiesen. Es gibt Evidenzen, aber Beweise im Sinne von Standardisierungsmöglichkeiten existieren noch nicht. Können sie gar nicht, weil die Forschung nicht gefördert wird. Das wir keine mechanischen Maschinen sind, sonst würden wir ja das nicht existente Perpetuum Mobile verkörpern, sondern Leben in uns ist und diese Energie genauso behandelt werden kann wie der unlebendige Körper, ist evident. Weitere Forschung ohne Interesse, denn sie bringt kein Geld ein. Der Einsatz moderner Technologie in der Medizin ist fantastisch, aber der massenhafte Einsatz unter Auslassung erweiterter und umfassenderer Methoden kann auch schädlich werden. Der Besuch eines MRTs und CTs ist bitte nicht zu verwechseln mit dem Einchecken in ein Kurhotel.
Die Schulmedizin, d.h. was an den Unis gelehrt wird, ist meist eine Katastrophe und ist so effektiv wie die Medizin zu Zeiten der Herrschaft der Kirche über Bildung und Wissenschaft. Das war auch bereits Schulmedizin. Die Vertreter der militanten Fraktion in diesen Wissenschaftsbetrieben sind auch als Mitschuldige zu definieren.
Und noch etwas: Liebe kritische Studenten, wo seid ihr geblieben? Früher hieß es: Unter den Talaren, Muff von 1000 Jahren. Heute muss es heißen: Unter den Talaren steckt das Aktienpaket von Black Rock.
Die zweite Möglichkeit der Moderation also – und das gilt auch für die Märchenerzähler in den Wissenschaften um das Klima – ist die, dass wir annehmen, dass es keine Experten und Heilsbringer gibt. Weihnachtsmänner sind Erzähler von Narrativen, die von den Medien – natürlich auch bezahlt – kolportiert werden. Da gibt es nur noch Apokalypsen und Desaster und Krisen, so dass wir glauben, Virenwolken ziehen am Horizont herauf und Tornados kreisen unentwegt um uns herum. Eine Berichterstattung darüber, wo denn das Wetter normal war – also wie immer – hören wir nicht. Das ist beabsichtigte Angstmacherei.
Haben wir Vertrauen in uns selbst, in unsere natürliche Intelligenz, informieren wir uns umfassend und seien wir uns selbst gegenüber ehrlich. Machen wir das zu unserem zwischenmenschlichen Diskurs. Suchen wir das kleinste gemeinsame Vielfache miteinander, werden wir lieber nicht zu Freaks oder Unikaten und gestalten wir unser Leben, ohne die unqualifizierten Ratschläge aus Medien, sozialen Medien und scheinbaren Experten. Wir haben am Ende des Monats mehr in der Tasche und sind glücklicher und gesünder.
Moderation 3: Schmalspurwissenschaft versus erweitertes Verständnis der Welt
Ein weiterer Aspekt dieser Analogie besteht in der Tatsache, dass man nach den 60ern und 70ern überlegte, wie man Bildung umorganisieren kann, ohne dass die Absolventen während der Ausbildung den Durchblick bekommen und den Staat auf der Straße angreifen oder kritisieren. Umfassende Bildung ist für unsere Industrie eine unproduktive Investition und dann auch noch diese Undankbarkeit der Studenten der 60er Jahre. Das sollte beseitigt werden, und genau das ist passiert durch die Studienreform.
Heute gibt es den Bachelor (ich dachte immer, das wäre eine Unterhaltungssendung im TV). Aber das Niveau hat der Studiengang auch, danach den Master. Im Spurttempo durch die Uni, so dass man bloß nichts von Denkern der Antike, des Mittelalters, den deutschen Idealisten und vor allem nichts von Hegel oder Marx hört. Ach du lieber Himmel. Das wäre Selbstmord. Studium generalis ade.
Unsere Gesellschaft wird konsequent dekultiviert und eben entsinnlicht. Folglich erleiden wir Sinnverlust. Und wer hat uns das vorgemacht? Die Angelsachsen, die hatten immer schon ein Gespür für Produktivität und Pragmatismus. Kinder an Maschinen ketten während des Manchesterkapitalismus. Das war auch eine Idee.
Diese massenhafte Dequalifizierung, Pisa lässt schön grüßen: Studienabbrechen gilt in unseren Parteien ja schon als Leistungsnachweis. Dies gab es in der Antike unter Caligula schon einmal, danach versank das römische Imperium. Und ebenfalls im Spätmittelalter von Louis XIV-XVI. Danach versanken die Königreiche. Das lässt auf eine wunderbare Zukunft hoffen.
Die dritte Möglichkeit zur Moderation der Probleme liegt in einem erweiterten Verständnis der Welt in Raum und Zeit. Dabei findet man seinen Standort und Standpunkt. Lesen wir mal wieder Goethe, obwohl er manchmal schwer verdaulich ist. Der Faust ist ein Wunderwerk an Erkenntnissen. Jeder kann sich dort wiederfinden. Kultur erweitert die Seele und macht gesund. Und, last but not least, vergessen wir nicht, einmal nur wahrnehmend durch den Wald zu gehen und auf Geräusche, Gerüche zu achten, Wolken zu betrachten und vergessen wir dann lieber die Gedanken über die Inszenierung eines nachbarschaftlichen BBQ und die Auswahl der Soßen dabei. Man wird einfach gesünder, wetten dass…?
Verinnerlichen wir uns das Gedicht eines anderen deutschen „Weisen“:
Ein guter (ein gesunder, Anm. des Verfassers) Mensch sein?
Ja, wer wär’s nicht gern?
Doch leider sind auf diesem Sterne eben
Die Mittel kärglich und die Menschen roh.
Wer möchte nicht in Fried und Eintracht leben?
Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!¹
Moderation 4: Das kosmische Gelächter
Wir sind nicht krank, aber die Verhältnisse, in denen wir leben.
Wenn wir einen Horrorfilm sehen, dann gruselt es uns. Das ist beabsichtigt und nicht krank.
So geht es uns im Moment beim Blick in die reale Welt. Wenn wir über uns selbst und die Welt inkl. unserer größenwahnsinnigen Ansprüche lachen können, sind wir bereits einen Schritt weiter.
Antidepressiva und Ratschläge beim Arzt, dem es selbst so geht und der in diesem Themenbereich kein Studium absolviert hat, kosten Zeit und Geld und überdecken die Problematik lediglich.
Übrigens, letzte empathisch gemeinte Moderation: gegenseitiges Lausen verstärkt bei Primaten und anderen Säugetieren die Resilienz bzw. das Immunsystem und tut nebenbei auch noch gut.
¹Peachum in Berthold Brechts Dreigroschenoper