CRISPR/Cas9 – Wie funktioniert die sogenannte Gen-Schere?

CRISPR - Genschere
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Zwei Wissenschaftlerinnen, Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna, erhielten 2020 für die Entwicklung dieses Verfahrens den Chemie Nobelpreis. Doch was ist dieses merkwürdige Kürzel und welche Bedeutung hat es für Dich und mich?
Charpentier und Doudna sind Molekularbiologinnen, d. h. sie beschäftigen sich mit Vorgängen innerhalb der Zelle, im Besonderen mit der Veränderung von DNA bei Pflanzen, Tieren und Menschen. Das Verfahren wird auch als Gen-Schere oder Genome Editing bezeichnet. Was ist neu an diesem Verfahren und wodurch unterscheidet es sich von der Gentechnik, die ja bei uns viele Kritiker hervorgebracht hat?

Was bedeutet CRISPR/Cas9?

CRISPR ist die Abkürzung für

CLUSTERED
REGULARLY
INTERSPACED
SHORT
PALINDROMIC
REPEATS.

Wortwörtlich bedeutet dies „gruppierte kurze palindromische Wiederholungen mit regelmäßigen Abständen“. Ein Palindrom ist in der Sprachwissenschaft ein Wort, das sowohl vorwärts als auch rückwärts gelesen werden kann wie beispielsweise Regal – Lager. Die Genetik kennt palindromische Sequenzen in DNA- oder RNA-Ketten (siehe Abbildungen). Die spiegelsymmetrische Strukturformel mancher Moleküle lässt sich als palindromartige Darstellung einer chemischen Verbindung auffassen. Also: Sie haben eigentlich einen Schlüssel entdeckt, der nur in ein ganz spezifisches Schlüsselloch passt.
Was da in der DNA unserer Zellen passiert ist in Wirklichkeit wohl äußerst kompliziert. Wenn ihr beispielsweise bei Wikipedia CRISPR eingebt, dann kommt ihr auf einen Artikel, der so kompliziert aufgebaut ist, dass er eigentlich nur von Fachleuten verstanden werden kann.

Wie funktioniert Genome Editing?

Auch wir können die Komplexität natürlich nicht vergessen, aber wir wollen uns bemühen, euch die Zusammenhänge so zu beschreiben, dass ihr die Grundzüge versteht.

Wir haben in den letzten Jahren viel über Viren gelernt, manchmal so viel, dass wir oft von Viren nichts mehr hören wollen. Aber auch bei der Gen-Schere müssen wir uns mit Viren beschäftigen. Es geht darum, dass Viren versuchen, nicht nur uns Menschen, sondern zum Beispiel auch Bakterien zu befallen. Wir haben ein Immunsystem und dieses wird sofort aktiv, wenn uns ein Virus befällt, der uns schädigt.

Bakterien haben kein solches Immunsystem, aber sie haben im Laufe der Evolution auch Abwehrmechanismen entwickelt. Ihr Mechanismus besteht darin, dass ein bestimmtes Protein (Eiweiß) zu einer ganz bestimmten Stelle des Bakteriengenoms geführt wird. Dieses Protein heißt Cas 9. Die Andockstelle ist nicht zufällig, sondern genau vorherbestimmt. Genau an dieser Stelle wird dann der DNA-Strang mit Hilfe von Cas 9 aufgeschnitten. Dort wird ein Teil des Virus eingebaut und dann die DNA wieder zusammengefügt. Dadurch kann das Bakterium das Virus erfolgreich bekämpfen.

CRISPR Werkzeug
CRISPR Finden
CRISPR Schneiden

Diesen Mechanismus haben die beiden Wissenschaftlerinnen untersucht und dann die Idee entwickelt, dass man Cas 9 eigentlich dafür verwenden kann, um auch andere Teile der DNA anzusteuern und dann mit Cas 9 dort zu zerschneiden. Das war nämlich mit der normalen Gentechnik nicht möglich, sondern an welcher Stelle die neue Sequenz eingebaut wurde, war dem Zufall überlassen. Das war auch die Hauptkritik an der Gentechnik, dass man den Prozess der Veränderung des Genoms nicht steuern konnte und damit viele Unbekannte und Risiken mit eingebaut hat.

Die beiden Biologinnen arbeiteten zunächst mit Bakterien. Einem weiteren Wissenschaftler, nämlich Feng Zhang vom Broad Institute in Boston, gelang zum ersten Mal die Übertragung dieser Technik auf andere Lebewesen wie Mäuse und menschliche Zellen. Dies führte zu einem Patentstreit zwischen dem Institut der beiden Nobelpreisträgerinnen und dem Broad Institute, weil Charpentier und Douda das alleinige Patent für sich beanspruchten. Die US-Gerichte jedoch haben den Patentstreit zugunsten von Zhang entschieden, weil sie die Übertragung vom Bakterium auf andere Spezies als gravierend eingestuft haben.

Ihr seht, hier geht es nicht nur um Ruhm, sondern auch um viel Geld, denn es stellt sich die Frage, wo CRISPR überall zum Einsatz kommen kann.

Wie funktioniert jetzt die Übertragung? Das beschreibt die Homepage transgen.de sehr gut:

Zunächst muss im riesigen Genom – das oft aus Milliarden Basenpaaren besteht – genau die Stelle gefunden und angesteuert werden, bei der einzelne DNA-Bausteine verändert werden sollen. Dazu konstruiert man eine molekulare „Sonde“. Beim CRISPR-Verfahren besteht sie aus einem kurzen RNA-Strang (auch Guide RNA genannt), der genau der DNA-Sequenz am Zielort entspricht. Wenn die Sonde diese „gefunden“ hat, dockt sie dort an, um den DNA-Doppelstrang exakt an dieser Stelle mit einer molekularen „Schere“ zu durchschneiden – bei CRISPR ist es das Cas9-Protein, das an die RNA-Sonde gekoppelt ist.

Dieser Mechanismus ist übrigens nichts Besonderes, sondern er passiert bei jeder Mutation auch natürlich.

Wo kann CRISPR auch beim Menschen eingesetzt werden?

Das Verfahren ist für Kenner der Materie sehr einfach. Insofern überraschte es 2018 auch keinen, als ein chinesischer Arzt verkündete, dass er Zwillingen mit Hilfe von CRISPR/CAS 9 eine Immunität gegen das HIV-Virus in das Genom eingefügt hat. Der sich anschließende Aufschrei sehr vieler Wissenschaftler gegen dieses Vorgehen war in allen Medien zu hören. Ein solcher Eingriff muss genau geplant und durch vielfältige Sicherheitsmechanismen gestützt werden, sonst ist er wissenschaftlich unseriös. Seit 2018 hat sich aber so viel getan, dass im November 2022 im Handelsblatt zu lesen war, dass zwei Firmen, die Biotechfirmen Vertex und Crispr Therapeutics (übrigens eine Firma, die Charpentier gehört), jetzt die Zulassung eines Medikamentes für eine Therapie gegen zwei seltene Erbkrankheiten anstreben (Handelsblatt 28.11.2022). Die neue Gentherapie mit Namen Exacel soll im Kampf gegen Sichelzellenanämie* und Beta-Thalassämie eingesetzt werden.

* Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie sind Erbkrankheiten, die durch schädliche Mutationen im Hämoglobin Gen verursacht werden und schwere Funktionsstörungen der roten Blutzellen hervorrufen.

Aber das ist nicht die einzige Studie, die am Menschen mit Hilfe der Gen-Schere erfolgt. In der US-Datenbank clinicaltrials.org sind mehr als 70 klinische Studien gelistet, die die Gen-Schere einsetzen, um neue Therapien zu entwickeln.

Ist die Gen-Schere genauso zu kritisieren wie die Gentechnik?

Ja und Nein. Die Europäische Union hat beispielsweise – was von vielen Wissenschaftlern kritisiert wird – alle mit der Gen-Schere erzeugten gentechnisch veränderten Organismen der Gruppe der GVO, also gentechnisch veränderte Organismen zugeordnet, was bedeutet, dass sie denselben strengen Richtlinien unterworfen sind wie mit der alten Gentechnik veränderte. Wenn man den Vorgang etwas genauer unter die Lupe nimmt, kann man verstehen, dass die Forderung der Wissenschaftler, die Gesetze an die Realität anzupassen, nicht von ungefähr erhoben wird. Das Problem ist nämlich, dass eine durch die Gen-Schere erzeugte Veränderung von einer normalen Mutation nicht mehr zu unterscheiden ist.

Und Mutationen – wir werden bald einen eigenen Artikel zu diesem Thema veröffentlichen – sind nicht gerade selten. Nehmen wir als Beispiel den Weizen, der ein sehr großes Genom hat. Zwei Pflanzen auf demselben Feld unterscheiden sich voneinander durch ca. 100 Mutationen!!! Durch die Mutationszüchtung, ein Züchtungsverfahren, dass die Anzahl der Mutationen durch z.B. Bestrahlung um den Faktor 1.000 erhöht und dass auch von der Ökobranche akzeptiert ist, ist das Risiko weitaus höher als bei der sehr genauen Methode des Genome Editing, so die Fachleute.

Wir finden die Forderung aller großen Wissenschaftsorganisationen eigentlich gut, dass nur solche Organismen – seien es Pflanzen oder Tiere – unter die strengen Regeln der GVO gehören, bei denen artfremde genetische Informationen eingeführt wurden, nicht aber solche, wo die Veränderung sich auch natürlich-zufällig oder durch herkömmliche Züchtung hätte ergeben können.

Hier haben wir für euch noch 2 kurze Videos recherchiert, die CRISPR gut erklären:

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Welche Anwendungen können wir in Zukunft von der Gen-Schere erwarten?

Experten sehen erhebliches Potenzial bei der Anwendung des CRISPR/Cas-Verfahren:

  • Entfernung der Genome von Krankheitserregern chronischer Infektionskrankheiten wie Hepatitis B Virus oder HIV-Virus
  • Untersuchung der Entstehung von Krebs
  • Untersuchung der Funktionen von unbekannten Genen
  • Korrektur von Mutationen bei der Erzeugung induzierter pluripotenter Stammzellen und embryonaler Stammzellen
  • Therapie von Erkrankungen
  • Erzeugung von verbesserten Bakterienstämmen für die Industrie
  • Veränderung von Nutzpflanzen
  • Tierzüchtung, z.B. Entfernung von Ebergeruch oder Geburt nur noch weiblicher Küken, um die Tötung männlicher Küken zu verhindern
  • Bekämpfung von Insektenplagen

Wird sich die Bedeutung von Medikamenten ändern?

Das wird definitiv der Fall sein. Ihr müsst euch vorstellen, dass ein solches Medikament wahrscheinlich nur ein einziges Mal verabreicht werden muss. Das ist eine ganz neue Art von Medikamenten. Captain Kirk und Pille lassen grüßen. Wenn man berücksichtigt, dass für die Zulassung eines solchen Medikamentes viele hundert Millionen Euro ausgegeben werden müssen, wie teuer darf es dann sein? Darüber werden die Firmen mit den Krankenkassen verhandeln müssen.

Noch mehr bahnbrechende Entdeckungen preisgekrönter Wissenschaftler auf dem Gebiet der Medizin findet ihr bei uns unter dem Schlagwort: Nobelpreisträger.

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