Viele Frauenärzte und Hebammen raten von Koffein während der Schwangerschaft tunlichst ab. Aber welche Wirkung kann Koffein auf ein ungeborenes Kind und seine spätere körperliche Entwicklung haben? Genau dieser Frage ist eine amerikanische Studie nachgegangen – mit erstaunlichen Ergebnissen, die zum Nachdenken anregen sollten.
Der Studienaufbau
Zwischen 2009 und 2013 wurde das Blutplasma von insgesamt 788 schwangeren Frauen untersucht. Konkret bestimmte das Forschungsteam vom National Institute of Child Health and Human Development in Maryland den Koffeinspiegel der werdenden Mütter. Entsprechend der gemessenen Höhe des so bestimmten Wertes wies man sie einer von 4 Gruppen zu. Gruppe 1 bestand aus jenen Frauen mit den niedrigsten Koffeinwerten und Gruppe 4 aus jenen mit den höchsten Werten. Jeweils 7 Jahre später, passend zur Einschulung, wurde bei den Kindern der Schwangeren Größe und Gewicht gemessen sowie deren Verhältnis zueinander errechnet. Im Schnitt nahm jede Studienteilnehmerin täglich 50mg Koffein zu sich, was etwas mehr als einer halben Tasse Filterkaffee am Tag entspricht.
Das bemerkenswerte Ergebnis der Studie
Bei der Betrachtung der Maße fiel eines ganz klar auf: Die Schulkinder der einzelnen Gruppen unterschieden sich deutlich voneinander. So waren die Kinder der Mütter aus Gruppe 4 im Mittel rund 1,5 cm kleiner als die der Mütter aus Gruppe 1. Und auch beim Gewicht zeigten sich parallel Abweichungen von durchschnittlich 1,2 kg. Interessant und hervorzuheben ist, dass der durchschnittliche BMI bei sämtlichen Kindern aller Gruppen identisch war.
Das bedeutet im logischen Folgeschluss: Regelmäßiger Konsum von Koffein während der Schwangerschaft ist deutlich mit einer geringeren Körpergröße bis hin ins Schulkindalter assoziiert. Einen Einfluss auf die Körperform scheint der Stoff allerdings nicht zu haben.
Der direkte Vergleich mit einer älteren Studie
Um ihre Hypothese zu überprüfen, verglich das Forschungsteam seine Ergebnisse mit denen einer älteren Studie aus den 1960er und 70er Jahren. Damals waren im Zuge des Collaborative Perinatal Projects 1.622 Mutter-Kind-Paare untersucht worden, wobei großes Augenmerk auf den Koffeingehalt im Blutplasma der Mütter gelegt worden war.
Aufgrund der unterschiedlichen Zeitumstände (damals sahen die Richtlinien für werdende Mütter noch völlig anders aus) lag der Koffeinspiegel im Durchschnitt bei 200mg pro Tag, also 4-mal höher als bei den Teilnehmerinnen der jüngeren Studie.
Auch bei den Kindern dieses Projektes waren deutliche Größenunterschiede innerhalb der ausgewiesenen Gruppen festzustellen. Lag die Größendifferenz zwischen Kindern der ersten und vierten Gruppe im Alter von 4 Jahren noch bei vergleichsweise harmlosen 0,48 cm, so waren es mit 8 Jahren bereits stattliche 2,2 cm. Auch hierbei gab es keinen messbaren Unterschied hinsichtlich des BMI der Kinder.
Zusammenhänge noch weitestgehend unklar
Koffein ist medizinisch betrachtet ein Neurostimulans, das über das Blut der Mutter auch in die Plazenta eingelagert wird und so seinen Weg in den Stoffwechselkreislauf des Fötus findet. Dieser kann das Koffein allerdings nicht verstoffwechseln, wodurch es sich in dem Ungeborenen anreichert. Welche Langzeitfolgen das haben kann, ist noch nicht abschließend geklärt und bedarf noch weiterer intensiver Forschungsarbeit.
Ab wann und ob eine gewisse Konzentration von Koffein im Fötus auch klinisch relevant werden könnte, bleibt abzuwarten. Aussagekräftige Studien liegen hierzu noch nicht vor. Auch wurde noch nicht untersucht, ob die an Schulkindern gemessenen Größenunterschiede sich bis ins Jugend- oder sogar Erwachsenenalter fortbestehen. Antworten können nur konsequente Langzeit-Studien liefern.
Nach allem, was wir wissen (und gerade auch nicht wissen), bleibt Koffein während der Schwangerschaft ein unsicherer Einflussfaktor. Werdende Mütter sollten sich also frühzeitig überlegen, ob sie ihr Kind einem solchen ungewissen Risiko aussetzen möchten.
Die vollständige Studie im englischen Original-Wortlaut findet ihr unter:
https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2797983
Wenn ihr euch außerdem für weitere wissenschaftliche Studien interessiert, dann legen wir euch unsere Rubrik Medizinische Studien ans Herz.