Semaglutid – Bedenklicher Off-Label-Einsatz zur Gewichtsreduktion

Missbrauch von Semaglutid
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Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) gibt Alarm. Ein bedenklicher Trend bahne sich an, bei dem Medizin-Präparate mit dem Wirkstoff Semaglutid zweckentfremdet werden, um möglichst schnell Gewicht zu reduzieren. Dabei sind die möglichen Nebenwirkungen eines solchen zweckentfremdeten Gebrauchs beträchtlich. Gleichzeitig wird der ohnehin schon dünne europäische Markt dadurch regelrecht leergefegt. Patienten, die wirklich von den Präparaten profitieren könnten, müssen teils lange Wartezeiten in Kauf nahmen. Wir haben recherchiert, woher dieser Trend kommt, wie Semaglutid wirkt und welche Risiken dieses Medikament birgt.

Was ist Semaglutid und in welcher Form ist es zugelassen?

Pharmakologisch betrachtet ist Semaglutid ein sogenannter GLP-1-Rezeptor-Agonist. Einfach ausgedrückt sind das künstliche Wirkstoffe, die körpereigene Hormone imitieren, um die Produktion von Insulin zu steigern. Damit wird nicht nur der Blutzucker gesenkt, sondern auch der Appetit gedrosselt und die Kalorienaufnahme gehemmt. Ursprünglich wurde Semaglutid demnach als reines Antidiabetikum entwickelt.

Nachdem man feststellen konnte, dass stark übergewichtige Patienten mit bestehendem Diabetes mellitus Typ 2 nach Einnahme von Semaglutid stark an Gewicht verloren, wurde das Mittel 2021 in den USA und Anfang 2022 auch in der EU zur Adipositas-Therapie zugelassen. Erhältlich ist es seither unter dem Namen Ozempic® oder in höherer Dosierung auch als Wegovy®. Und genau hier beginnt das Problem.

Woher stammt der Trend zum Off-Label-Gebrauch?

Semaglutid als Social Media Trend

Unter einem Off-Label-Gebrauch versteht man den nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Medikaments. Das bedeutet, man zweckentfremdet ein Arzneimittel, um einen bestimmten Effekt auszulösen, für den es aber offiziell nicht zugelassen ist. Und genau das ist derzeit im Fall von Semaglutid der Fall. Promis wie Twitter-Chef Elon Musk beispielsweise haben ihre Reichweite in den sozialen Medien genutzt und das vermeintliche Abnehm-Wundermittel bekannt gemacht. Allerdings (und das wird meist verschwiegen) zweckentfremdet zur schnellen Gewichtsreduktion von nur wenigen Kilos. Dafür ist das Mittel aber überhaupt nicht gedacht und schon gar nicht zugelassen. Dennoch gehen Hashtags wie #Ozempic gerade durch die Decke und sorgen für Probleme.

Welche Folgen hat der Missbrauch für den internationalen Markt?

Ausverkauft

Die oben erwähnten Präparate mit Semaglutid sind erst seit knapp einem Jahr auf dem europäischen Markt zu haben. Entsprechend dünn ist bisher die Lieferkapazität. Wenn nun die vorhandenen Bestände dieser Medikamente durch Life-Style-Interessen, wie schnell ein paar Kilos zu verlieren, geplündert werden, bleibt für die eigentliche Klientel nicht mehr viel übrig. Gemeint sind hierbei adipöse Menschen mit einem BMI von über 30, meist noch mit entsprechenden Folgeerkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Problemen, Arteriosklerose oder einer Fettleber. Eben diese Patienten müssen zunehmend längere Lieferzeiten ihrer verschriebenen Medikamente in Kauf nehmen. Regional kam die Verfügbarkeit von Ozempic® und Wegovy® sogar komplett zum Erliegen.

Welche gesundheitlichen Folgen kann das haben?

Natürlich handelt es sich bei den beschriebenen Präparaten um geprüfte und zugelassene Medikamente zur Gewichtsreduktion. Allerdings muss man sich verdeutlichen, dass die Zielgruppe Patienten mit einem BMI von über 30 sind. Es macht demnach einen gewaltigen Unterschied, ob ein adipöser Mann mit 130kg sich eine solche Spritze setzt oder eine Frau, die lediglich ihr Gewicht von 75 auf 70kg reduzieren möchte. Die Konzentration des Wirkstoffes im Verhältnis zur Körpermasse ist eine völlig andere. Das bedeutet, die für das Präparat bekannten Nebenwirkungen treten in viel stärkerer Ausprägung auf. Dazu gehören:

  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Übelkeit
  • Bauchschmerzen
  • Durchfall

Bei einer Überdosierung können sich die Nebenwirkungen aber schnell zu massiven Beschwerden ausweiten wie:

  • Entzündungen der Bauchspeicheldrüse
  • Erkrankungen der Gallenblase
  • Ansammlung von Gallensteinen
  • Störung der Schilddrüsenfunktion

Als unbedenklich ist Semaglutid also beim besten Willen nicht einzustufen. Daher sollte die Einnahme ausschließlich im Rahmen einer ärztlich überwachten Therapie erfolgen und nicht als Life-Style-Medikament für den schnellen Weg hin zur Bikini-Figur.

Wirkung ohne Langzeit-Nutzen

Jo-Jo-Effekt nach Semaglutid

Neben den gesundheitlichen Nebenwirkungen haben sämtliche Semaglutid-Präparate einen weiteren entscheidenden Nachteil. Ihre Wirkung ist meist nicht von langer Dauer. Sobald das Medikament abgesetzt wird, normalisieren sich Appetit und Kalorienaufnahme wieder, wodurch man bei gleichbleibendem Lebensstil direkt wieder zunimmt und das erreichte Gewicht nicht mehr halten kann. Nicht umsonst geht eine jede Adipositas-Therapie immer mit einer entsprechenden Diät und Ernährungs-Umstellung einher. Setzt man aber allein auf die drosselnde Wirkung des Mittels, verpufft der Abnehm-Erfolg nach kürzester Zeit. Der vielfach bekannte Jo-Jo-Effekt stellt sich ein.

Unser Fazit

Der Off-Label-Gebrauch von Semaglutid, um schnell und vermeintlich einfach ein paar Pfunde loszuwerden, ist ein typisches Verhalten einer sich in Richtung Dekadenz wandelnden Konsumgesellschaft.

Ein unrealistisches Schönheits-Ideal übt einen ungemeinen sozialen Druck auf Menschen abseits dieses Ideals aus. Gleichzeitig sind langfristige und damit auch meist langwierige Lösungen wie Diät, Sport oder eine Ernährungsumstellung keine zufriedenstellenden Optionen mehr. Möglichst schnell, möglichst leicht und möglichst unkompliziert soll es laufen. Da springt man nur allzu gerne auf den nächsten Hype auf. Oftmals ist dabei den Celebrities, die solche Trends auslösen, gar nicht bewusst, wie unverantwortlich dieses Verhalten ist und welche Nebenwirkungen es nach sich ziehen kann.

Wenn dieses selbstbezogene Verhalten dann auch noch unbeteiligte Dritte betrifft und dafür sorgt, dass ein noch nicht voll etabliertes Medikament für chronisch kranke Patienten nicht zur Verfügung steht, ist unser sozialer Zusammenhalt gefährdet. Wir sollten uns vielmehr fragen, warum wir so unzufrieden mit uns selbst sind. Attraktivität hat zu einem nicht unwesentlichen Teil auch mit persönlicher Selbstzufriedenheit und Akzeptanz zu tun. Vielleicht wird dann aus der Frage „Wie werde ich schnell 5 kg los?“ ein „Bin ich so, wie ich bin, nicht eigentlich auch ganz gut?“.

Wie seht ihr das? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.

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