News zur Alzheimer Demenz – Februar 2023 – Viele kleine Schritte

News zur Alzheimer Demenz
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Was auch immer an neuen Erkenntnissen zu Alzheimer publiziert wird, es handelt sich um sehr, sehr kleine Schritte hin auf dem Weg zu einer umfassenderen Erkenntnis. Wir wollen Betroffenen hier eine Möglichkeit bieten, sich über diese neuen kleinen Schritte zu informieren. Gleichzeitig möchten wir allerdings betonen, dass wir mit der allgemeinen Ausrichtung, worin denn die Ursachen von Alzheimer Demenz zu suchen sind, nicht einverstanden sind. Deshalb möchten wir die Darstellung der neuen Erkenntnisse nochmals damit verbinden, worin unserer Meinung nach die Ursachen für Alzheimer bestehen.

Ursachenforschung Alzheimer

Gemeinhin wird die Alzheimer Demenz mit 2 körperlichen Veränderungen im Gehirn beschrieben: Zum einen gibt es Amyloid Plaques, die sich ausbreiten und Tau Fibrillen, also abgestorbene Zellbestandteile, die nicht korrekt abtransportiert werden. Richtig ist, dass beide Phänomene bei Alzheimer Patienten existieren. Aber nehmen wir als Beispiel die Ameloid Plaques: Es gibt Menschen, die keine Alzheimer Demenz haben, die aber dennoch eine sehr große Ausbreitung von Amyloid Plaques aufweisen. Alle Medikamente, die sich mit der Reduktion der Plaques beschäftigt haben (zumeist Antikörper) haben wenig bis keine therapeutische Wirkung auf die Demenz (siehe Schritt 2).
Deshalb glauben wir nicht an die rein körperliche Ursache der Plaques oder der Tau Fibrillen. Wir möchten Euch hier eine alternative Sichtweise oder Perspektive anbieten. Bis auf ganz wenige Fälle tritt Alzheimer im Alter auf. Deshalb sollte man eigentlich vermuten, dass der Ausbruch der Krankheit etwas mit dem bislang gelebten Leben zu tun hat.

Aber was könnte das sein? Nun, man sollte zunächst auf die eintretenden Veränderungen achten: Hier handelt es sich ja wohl um eine kontinuierlich stattfindende Regression des Ich bis zu seiner völligen Auflösung. Im Endstadium erkennen die Patienten sich selbst und ihre Umwelt nicht mehr, wenn sie erstmal den langen Weg der Auflösung beschritten haben. Die Vermutung, dass diese Auflösung etwas mit der konkreten Lebenssituation zu tun hat, erscheint keineswegs abwegig. Wir möchten an dieser Stelle den Begriff oder die Kategorie „Sinn“ einführen. Was passiert, wenn man realisiert, das das eigene Leben keinen wirklichen Sinn gehabt hat? Das scheint eine wesentliche Frage zu sein, weshalb Patienten diesen Krankheitsweg beschreiten. Je näher man dem Ende des Lebens kommt, umso dringender wird die Beantwortung dieser Frage.

Es ist keineswegs so, dass wir hier nur psychische Ursachen vermuten, da für uns aber Körper und Geist immer eine Einheit sind, glauben wir, dass die psychischen Probleme, mit denen wir permanent konfrontiert werden, uns körperlich verändern. Wir möchten hier auch einmal auf den Begriff der Epigenetik verweisen. Dieser besagt, dass die Art und Weise, wie wir leben, die Aktivität unserer Gene beeinflusst, und zwar nicht nur im eigenen Leben, sondern sogar auf die Nachkommen bezogen. Diese epigenetische Ausrichtung kann über einen Jahrzehnte währenden Prozess erhebliche persönliche Auswirkungen haben, und Alzheimer kann eine solche durchaus sein. Diese könnte, wie Wissenschaftler der Stanford University herausgefunden haben, etwas mit einer Genmutation zu tun haben, die als APOE4 Gen bezeichnet wird. Inwieweit auch Veränderungen der Aktivität des Gens durch epigenetische Ursachen mit dazu beitragen können, ist im Augenblick reine Spekulation.

Schritt 1: Bewegung schützt vor Alzheimer

Die Gelbe Liste Online hat vergangenen Juni eine Studie beschrieben, die als Ergebnis hat, dass Menschen, die sich bewegen, weniger oft Alzheimer bekommen. Es konnte gezeigt werden, dass ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Bewegung, gesunder Ernährung, ohne Rauchen und mit moderatem Alkoholkonsum vor Alzheimer schützt. Auch die Lebenserwartung wird positiv beeinflusst. Eine Studie aus den USA konnte sogar eine Reduktion des Alzheimer-Risikos um 60% durch einen gesunden Lebensstil zeigen. Hinzu kam bei der Bewertung auch die soziale Aktivität (!).

Publikationen:
• Dhana et al. (2020): Healthy lifestyle and the risk of Alzheimer dementia: Findings from 2 longitudinal studies. Neurology, DOI: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000009816
• Dhana et al. (2022): Healthy lifestyle and life expectancy with and without Alzheimer’s dementia: population based cohort study. The British Medical Journal, DOI: https://doi.org/10.1136/bmj-2021-068390

Der Link zum Artikel: https://www.gelbe-liste.de/neurologie/bewegung-gegen-alzheimer

Schritt 2: Neue Antikörper in der Zulassung und im Test

Der Antikörper Donanemab vom Pharmariesen Lilly und der Antikörper Lecanemab (Markenname LeqembiTM bereits in USA zugelassen) sind beide darauf ausgerichtet, die Ablagerungen von Amyloid Plaques zu verhindern oder zu verlangsamen. Beide Antikörper können nur im frühen Stadium und bei einem milden Verlauf Verbesserungen erzielen. Inwieweit diese beiden monoclonalen Antikörper wirklich bessere therapeutische Ergebnisse erbringen als die vorher bereits negativ getesteten kann mindestens bezweifelt werden.

Der gegen Amyloid beta gerichtete Antikörper Solanezumab scheiterte 2016 in der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie. Ein weiterer Wirkstoff, Aducanumab, lieferte widersprüchliche Ergebnisse in den Studien ENGAGE und EMERGE, so dass sich die Europäische Arzneimittelagentur EMA letztendlich gegen die Zulassungsempfehlung entschieden hat.

Auch der Antikörper Gantenerumab der Unternehmen MorphoSys und Roche konnte in zwei groß angelegten klinischen Studien der entscheidenden Phase III zwar die Verschlechterung der Leistungsfähigkeit in Bereichen wie Gedächtnis, Orientierungsvermögen, Problemlösungsfähigkeit, Hobbys sowie Körperpflege verlangsamen. Diese Ergebnisse seien aber statistisch nicht signifikant gewesen, hieß es.

Schritt 3: Myelin als Wirkstoff gegen die Tau Fibrillen?

Alzheimer Demenz Myelin

Der körpereigene Stoff Myelin, der auch bei MS eine Rolle spielt und der Nerven schützt, wird auch im Zusammenhang mit Alzheimer untersucht. Myelin ist eine Schutzschicht, bestehend aus Proteinen und Fetten, die um das Ende von Nervenzellen gelegt ist. Diese so genannten Axone werden durch eine Myelinschicht abgeschirmt und erlauben der Nervenzelle so, schnelle und viele elektrische Signale auszusenden. Myelin ist eine lipidreiche Substanz, die die Axone der Nervenzellen umgibt, um sie zu isolieren und die Geschwindigkeit zu erhöhen, mit der elektrische Impulse entlang des Axons weitergeleitet werden. Das myelinisierte Axon kann mit einem elektrischen Draht (dem Axon) verglichen werden, der von isolierendem Material (Myelin) umgeben ist. Anders als die Kunststoffhülle eines elektrischen Drahtes bildet das Myelin jedoch keine einzige lange Hülle über die gesamte Länge des Axons. Vielmehr umhüllt Myelin den Nerv in Segmenten.

Unter der Überschrift „Higher levels of myelin are associated with higher resistance against tau pathology in Alzheimer’s disease“ (Höhere Myelinwerte sind bei der Alzheimer-Krankheit mit einer höheren Resistenz gegen Tau-Pathologie verbunden) publizierte eine internationale Forschergruppe aus München, Malmö, Lund und Amsterdam erste Ergebnisse, wie Myelin das Ansteigen der Tau Fibrillen verhindert. Dies ist ein erstes Ergebnis, mehr aber auch nicht. Von einer Therapie ist dies noch weit entfernt.

publiziert in Alzheimer’s Research & Therapy doi: 10.1186/s13195-022-01074-9

Wichtigste Erkenntnisse:
• Die Tau-Proteinspiegel sind in stärker myelinisierten kortikalen Regionen niedriger.
• Die Tau-Ausbreitung zwischen Kortikalregionen, die durch stärker myelinisierte Faserbahnen verbunden sind, ist geringer.
• Myelin könnte einen Schutz gegen die mit der Alzheimer-Krankheit (AD) verbundene Tau-Akkumulation bieten.

Schritt 4: Neue Diagnostik

Nach wie vor besteht das Problem des möglichst frühen Nachweises der Erkrankung. Die Diagnostik ist dabei nur dann erkenntnisfördernd, wenn sich die Krankheit bereits in einem späteren Stadium befindet (siehe dazu auch unsere beiden Artikel zu diesem Thema: Artikel 1 und Artikel 2).

Das neue Thema lautet „Biomarker“. In diese Richtung bewegt sich die Forschung seit einiger Zeit, denn alle anderen Diagnostiken sind nicht optimal. Ein Bluttest wäre ein wirklicher Fortschritt der Diagnostik. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass verringerte Werte von phosphoryliertem (P)-Tau217 und glialem fibrillärem saurem Protein (GFAP) im Blut auf nachgeschaltete Behandlungseffekte der Beta-Amyloid (Aβ)-Clearance aus dem Gehirn hinweisen.

Die Forscher fanden heraus, dass Veränderungen in den Konzentrationen dieser Plasmabiomarker positiv mit der prozentualen Veränderung der Amyloid-Plaques korreliert waren, wie sie in der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) dargestellt wurden.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Biomarker anstelle der teureren und nicht immer leicht verfügbaren PET-Scans (= alte Methode) zur Überwachung von Patienten eingesetzt werden könnten, die Anti-Amyloid-Wirkstoffe einnehmen.

„Wir können die vollständige Entfernung von Amyloid wahrscheinlich nicht mit einem Bluttest messen, aber wir können sehen, dass etwas passiert, und wir wissen, ob wir ein Engagement haben oder nicht“, sagte Studienleiter Michael Pontecorvo, PhD, Vizepräsident für klinische Entwicklung bei Avid Radiopharmaceuticals, dem Biomarker-Arm von Lilly.

Die Ergebnisse wurden auf der Jahrestagung 2022 der American Academy of Neurology (AAN) vorgestellt.

Hier der Artikel in Medscape: https://www.medscape.com/viewarticle/971777?uac=154087PN&faf=1&sso=true&impID=4148399&src=WNL_dne1_ous_220408_MSCPEDIT

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