Schwangerschaftsabbrüche in kommunalen Kliniken oft verweigert

Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland
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Nicht erst seit dem Wegfall des Paragraphen § 219a StGB gehören geplante Schwangerschaftsabbrüche zum Alltagsgeschäft entsprechend ausgebildeter Mediziner in Deutschland. Auch bei zurückgehenden Fallzahlen werden hierzulande jährlich rund 100.000 solcher Eingriffe vorgenommen. Die einzelnen Bundesländer sind per Gesetz dazu verpflichtet, eine flächendeckende Grundversorgung anzubieten. Doch immer mehr kommunale Kliniken verweigern die Durchführung solcher Abbrüche. Ist die Versorgungslage noch gesichert oder wird stellenweise bereits geltendes Recht gebrochen?

Die Sachlage

Von den oben bereits erwähnten 100.000 Schwangerschaftsabbrüchen werden nur rund 20% in Kliniken vorgenommen. Die meisten Patienten entscheiden sich weiterhin für einen ambulanten Eingriff. Dass dies nicht immer ein freiwilliger Entschluss ist, zeigen aktuelle Umfragen. Diese ergeben nämlich, dass nur etwa 4 von 10 kommunalen Einrichtungen überhaupt Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Und noch einmal die Hälfte davon beschränkt sich dabei komplett auf Fälle, in denen eine kriminologische Indikation (beispielsweise nach Vergewaltigungen) oder medizinische Gründe vorliegen (Schutz der Gesundheit der Mutter).

In konkreten Zahlen bedeutet das, dass in Bayern 36 Häuser gar keine Schwangerschaftsabbrüche anbieten und 26 nur in konkreten Einzelfällen. In Baden-Württemberg sind es 9 bzw. 15 Kliniken und in Nordrhein-Westfalen 4 bzw. 9.

Allerdings gibt es deutliche regionale Unterschiede. Zwar gibt es in Nordrhein-Westfalen als bevölkerungsreichstem Bundesland ganze 45 Anlaufstellen, allerdings liegen davon 6 in Düsseldorf und 4 in Köln. Im gesamten Sauerland mit seinen 4500km² Fläche bietet nur eine einzige kommunale Klinik Schwangerschaftsabbrüche an. Ein anderes Negativbeispiel bietet Regensburg: Frauen, die hier in einer Klinik einen Abbruch ihrer Schwangerschaft durchführen lassen wollen, müssen über 100 km Fahrt auf sich nehmen, um in München, Ansbach oder Marktradwitz im Fichtelgebirge behandelt zu werden.

Das übliche Problem: Der juristische Wortlaut

Im Jahre 1992 trat das sogenannte Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten in Kraft. Darin schreibt Paragraf § 13 folgendes vor:

(1) Ein Schwangerschaftsabbruch darf nur in einer Einrichtung vorgenommen werden, in der auch die notwendige Nachbehandlung gewährleistet ist.
(2) Die Länder stellen ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicher.

Und in eben diesem Wortlaut findet sich die komplizierte Problematik der aktuellen Lage wieder:

Was ist ein ausreichendes Angebot? 

Eben genau auf diese Fragestellung geht der Gesetzestext überhaupt nicht ein. Es gibt keine Regelung zur Berechnung der notwendigen Anzahl von Kliniken gemessen an der Gesamtbevölkerung. Ebenso wenig wird festgelegt, welche Entfernung zur nächsten möglichen Klinik einer Schwangeren zugemutet werden kann. Und auch auf europäischer Ebene gibt es keine konkreten Anhaltspunkte zu dieser Fragestellung.

Wie schätzen Experten nun die Lage ein?

Tanja Altunjan vom Deutschen Juristinnenbund hat eine klare Meinung:

Es gibt keine Pflicht für medizinische Anbieter, Schwangerschaftsabbrüche anzubieten. Allerdings verpflichtet das Schwangerschaftskonfliktgesetz in §13 die Länder, ein ausreichendes Angebot sicherzustellen. Weil dies nicht geschieht, wird an diesem Punkt aus meiner Sicht Recht gebrochen.

Vom Frauenrechtsausschuss der Vereinten Nationen wurde Deutschland bereits wegen mangelnder Einrichtungsangebote gerügt. Allerdings handelt es sich hierbei lediglich um Hinweise und Anregungen, nicht um bindende Verbesserungs-Forderungen. Politische Schritte und Reformen lassen sich damit also nicht erzwingen.

Dr. Christiane Groß, Vorstand des Deutschen Ärtzinnenbundes, äußert sich zur Frage nach aktuell geplanten Änderungen zum Ausbau der Versorgungslage ebenso vage wie der Gesetzgeber. Es gebe derzeit keinen konkreten Beschluss zu dieser Sache.

Gleichzeitig verweisen Offizielle immer wieder auf die Politik. Professor Dr. Anton J. Scharl, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, beispielsweise äußert sich folgendermaßen:

Eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, obliegt den entsprechenden Institutionen und Organen, z.B. der Krankenhausplanung der Länder und den Kassenärztlichen Vereinigungen. Es gibt gesetzliche Regelungen für den Schwangerschaftsabbruch. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eine entsprechende Versorgung sichergestellt werden muss, wenn diese Regelungen zutreffen bzw. eingehalten werden.

Zusammenfassend

Solange es keine rechtskräftige Entscheidung über die Auslegung des Gesetzestextes gibt, werden wohl auch die verantwortlichen Landesregierungen keine signifikanten Verbesserungen der Versorgungslage auf den Weg bringen. Der Wortlaut ist zu vage und die Gesetzeslücke damit zu groß.

Natürlich sind Schwangerschaftsabbrüche für Mediziner keine besonders angenehme Sache. Doch wenn die Legislative unserer Demokratie Frauen die Selbstbestimmung über ihren Körper und damit auch über ihre Schwangerschaft zuspricht, darf dieses Recht nicht gleichzeitig durch eine zu dünne Versorgungslage durch medizinische Einrichtungen ausgehöhlt oder erschwert werden.

Wie seht ihr das? Lasst uns eure Meinung dazu in den Kommentaren hören. Wir sind gespannt.

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