Plädoyers für eine Erweiterte Medizin 4 – Die Bedeutung von Naturmedizin und Naturheilverfahren für die Moderne

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Volker Schrader

Während insbesondere das vergangene Jahrhundert dadurch geprägt war, der Chemie und ihren medizinischen Forschungen oberste Priorität bei der Entwicklung neuer Medikamente einzuräumen, kann in jüngster Zeit eine Tendenz beobachtet werden, die sich an zwei Aspekten ablesen lässt. Zum einen hat die pharmazeutische Industrie durch ihre Scouts ihre Fühler ausgestreckt und untersucht weltweit pflanzliche Substanzen, die bei verschiedenen indigenen Völkern und in alten Heilschulen zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt wurden und werden, zum anderen gibt es in den westlichen Industrieländern eine Rückbesinnung auf naturheilkundliche Verfahren, die von immer mehr Menschen eingefordert werden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Naturmedizin heute.

TCM und Ayurveda

Zwei weit entwickelte naturheilkundliche Medizinsysteme

Die beiden klassischen jahrtausendalten medizinischen Gesamtkonzepte sind die Traditionelle Chinesische Medizin und das indische Ayurveda.

Für beide Therapieschulen war es in den Kulturen selbstverständlich, sowohl energetische als auch naturheilkundliche Werkzeuge einzusetzen. Sie beinhalten zudem ein komplexes diagnostisches System und haben in ihren jeweiligen Ländern eine gesundheitspolitische Dimension.

In China war es selbstverständlich, dass der Arzt nur für die Prophylaxe bezahlt wurde. War der Patient krank, arbeitete er umsonst. Die Art des Lifestyles wurde offensichtlich als eine wesentliche Ursache für Krankheit angesehen, allerdings auch die „genetischen“ Voraussetzungen vor allem in Bezug auf den Geburtszeitpunkt. Dieser war bestimmend für den Patienten im Hinblick auf seine Konstitution. Die Einteilung der Patiententypen in die fünf Elemente: Wasser, Holz, Metall, Feuer, Erde inclusive ihrer detaillierten Kombinationen erwies sich als probates Mittel, die grundsätzlichen gesundheitlichen Probleme im Voraus zu systematisieren, um sie gezielt prophylaktisch zu behandeln bzw. zu unterstützen.

Hinzu kam ein sehr differenziertes System von Substanzen und dazugehörigen kultischen Anleitungen, mit denen der Patient behandelt wurde. Das Spektrum reichte dabei von äußerer bis zu innerer Anwendung. Einen wichtigen Beitrag leistete dabei das Verfahren der Moxibustion, das Abbrennen von Kräutern auf den entsprechenden Akupunkturpunkten.

Das zentrale energetische Mittel war die Akupunktur. Im Körper des Patienten wurde ein Geflecht von Meridianen ausfindig gemacht, über die bzw. konkret über deren Akupunkturpunkte das System aktiviert werden sollte. Alle Organe besitzen korrespondierende Punkte auf den Meridianen bzw. der Haut, die dann gegebenenfalls mit Akupunkturnadeln versehen und stimuliert werden. Dieses sollte die energetischen Blockierungen lösen. Heute wissen wir, dass beim Eintritt der Nadeln in das Fasziengewebe sogar Kollagenbildung angeregt wird. Das Akupunktur wirkt, stellt mittlerweile nicht einmal der konservativste Mediziner in Frage. Die westliche Medizin erklärt ihre Wirksamkeit dadurch, dass bei der Akupunktur die Nadeln in sehr nervenreiche Bereiche der Hautoberfläche gesteckt werden. Dies stimuliert wiederum das zentrale Nervensystem, das Chemikalien in den Muskeln, dem Rückenmark und dem Gehirn freisetzt. Es regt das Immunsystem und die Wundheilung an. Darüber hinaus fördert es die Durchblutung des Bereichs, was das Gewebe, die Drüsen, Organe und verschiedenen Funktionen des Körpers beeinflusst. Akupunktur kann durch diesen westlichen oder den der chinesischen Heilkunst durch die Auflösung von Blockaden erklärt werden, dies sind nur die zwei Seiten einer Medaille oder zwei mögliche Perspektiven einer Erklärung. Wahrscheinlich treffen beide Erklärungsmodelle zu und haben ihren wahren Kern. Akupunktur gehört heute wie selbstverständlich in viele Arztpraxen. Oft wird sie allerdings nicht konzeptionell oder systemisch eingesetzt, sondern nach den „schulmedizinischen“ Richtlinien, d.h. der Behandlung von Krankheiten.

Aktuell hat David Corby in Australien für das Netzwerk Extended Medicine das System der TCM aktualisiert und mit den begleitenden psychologischen Parametern ergänzt, die bislang fehlten. Seine „Mind and Body Therapy“ ist ein umfangreiches therapeutisches Verfahren, in dem es darum geht, zentrale Antriebe (genannt Motivatoren) für einen Patienten zu ermitteln, um die Therapie in den richtigen Rahmen zu stellen (das Schulungssystem ist auf der Homepage des Netzwerk Extended Medicine über Fernstudium zu erlernen).

Das indische Ayurveda ist dem chinesischen sehr ähnlich, auch wenn im Detail Unterschiede ausgemacht werden können. Hierbei geht es um die drei wesentlichen Lebensprinzipien, die so genannten Doshas: Vata, Pitta, Kapha und die 5 Elemente: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther bilden in diesem Modell Attribute der Lebensprinzipien. Zentral geht es hier wie bei den Chinesen immer um das Gleichgewicht. Ist dieses gestört, wird der Patient krank.  Die vielfältigen Kombinationen von Elementen und Lebensprinzipien sind von Geburt an gegeben, werden allerdings durch die Umwelt, die soziale wie auch die innere Befindlichkeit des Patienten, seine Lebensführung usw. stark beeinflusst.
Ein differenzierter Katalog des Einsatzes von Kräutern oral, sowie als Einreibungen und Einläufe, Bäder und Massagen soll die gestörte Harmonie und Homöostase wiederherstellen.

Wesentlich werden dabei auch die Chakren behandelt. Das sind die sieben Energiewirbel vom Wurzelchakra bis zum Kronenchakra. Genau wie in der chinesischen Heilkunde werden diese auch durch Übungen des Körpers und des Geistes harmonisiert. Es gibt bei beiden eine Anzahl von Übungssystemen geistig-körperlicher Art: das Yoga, die Meditation, das Antra sowie das Tai-Chi und das Qi Gong.

Neben der Konstitutionsbestimmung als diagnostisches Element existieren noch die Puls-, Iris- wie auch die Zungen Diagnostik.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede von asiatischer und westlicher Medizin

Beide traditionellen asiatischen Modelle unterscheiden sich nicht in ihrem Wesen (aber natürlich in ihrer konkreten kulturellen Ausformung) voneinander und wurden historisch und werden auch heute noch in Indien und China im Rahmen der staatlichen Gesundheitspolitik parallel zur modernen Medizin eingesetzt. Da dies in den westlichen Ländern nicht adaptiert wird, können sie nur auf Eigeninitiative der Patienten eingesetzt werden und natürlich von den vielen Heilpraktikern sowie naturheilkundlich orientierten Ärzten und Kliniken.

Beide Modelle – vor allem das Ayurveda – können auch zwecks Erneuerung als Kur angewandt werden. Auch hierbei gilt die Priorität als prophylaktisches Instrument.

In der Geschichte der Völker mit monotheistischer Religion (Christentum und Islam) ist das geistig-seelische Wohlbefinden von der religiösen Praxis der Gläubigen abhängig. Das Ausüben der sakralen Rituale, das Beten, die Messe – das ist die Liturgie – sind der bestimmende Faktor für das Geistige oder wie vor der Aufklärung das Alleinige für die Gesundheit. Als medizinisches Hilfsmittel wurde bei physischen Problemen die Naturheilkunde der Klostermedizin eingesetzt. In der asiatischen Kultur, sprich: China und Indien gibt es keine Götter, sondern nur Ideale und Propheten: Buddha und Brahma waren ursprünglich keine Götter, auch wenn sie in einigen religiösen Ausformungen göttliche Gestalt angenommen haben. Dementsprechend gehörte zur Gesundheit von Geist und Körper von Anfang an die richtige Lebensführung und der Einsatz von geistig-physischen Übungen. Deswegen weisen diese Gesundheitskonzepte auch einen sehr ganzheitlichen Charakter auf.

Im Gegensatz zu den ganzheitlichen Systemen stellt die Naturheilkunde im Orient und Okzident lediglich ein differenziertes System der physischen Intervention von Naturheilmitteln dar. Bereits bei den Indianern ist die Systematik der Pflanzen und Kräuter bei der Behandlung von Krankheiten schon auf sehr hohem Niveau gewesen. Alles wurde mündlich und oft sogar schriftlich überliefert und ausgetauscht. Der geistige Anteil der Behandlung war bei den Naturvölkern in den Ritualen der Schamanen präsent. Nur bei den bereits erwähnten monotheistischen Kulturen wurde dies getrennt und übrig blieb das rein Körperliche bzw. die Körpertherapie. Weitestgehendes wissenschaftliches Resultat dieses Ansatzes ist die Philosophie Descartes mit ihrer rigiden Trennung von Körper und Geist in der Medizin.

Berühmt wurde im Rahmen der Klostermedizin Hildegard von Bingen, die erheblichen Anteil an der Erforschung und Erfahrung mit Naturmitteln beizutragen hatte. Ihre Mittel können – lange vergessen – auch heute wieder erworben werden.

In der Phytotherapie kommt es hauptsächlich auf die Zubereitung der Kräuter, ihre Verdünnung und exakte Dosierung an, denn viele Kräuter sind unverdünnt sehr giftig. Der allopathische Aspekt hat bei ihrem Einsatz Priorität. Die Bedeutung dieser Konzepte gewinnt heutzutage wieder an Popularität, da es Diagnosen gibt, die hervorragend mit natürlichen Substanzen behandelt werden können. Die wissenschaftliche Forschung zu einzelnen Pflanzen oder pflanzlichen Wirkstoffen hat sich intensiv entwickelt, viele hochkarätige Monographien sind bereits publiziert.

Ernährung und Medizin – Ernährung als Medizin

Eine zentrale Botschaft der chinesischen Medizin liegt in der These, dass jede Krankheit im Darm beginnt, unserm zweiten – weil viel größeren – Gehirn.

Die Bedeutung des Mikrobioms (als Gesamtheit der Mikroorganismen im Verdauungstrakt der Dickdarmschleimhaut) bei der Immunabwehr ist inzwischen Standardwissen. Heute ist das Mikrobiom bei den meisten Menschen vielfach geschunden durch Antibiotika, Xenobiotika und andere toxische Einflüsse der Ernährung.

Die Entdeckung des persönlichen „Fingerabdrucks“ des Mikrobioms, seine große Sensibilität und Reaktivität auf jeden Faktor unseres Lifestyles und vieler chemischer Substanzen, hat zu dem ultimativen Wissen geführt, dass das vielfältige Geflecht der Mikroorganismen: Bakterien, Pilze, Parasiten und Einzeller in billionenfacher Anzahl das Gleichgewicht von allen Körperprozessen beeinflusst. Deswegen gibt es inzwischen eine Vielzahl von Kombinationsmitteln, die diese Störung beseitigen sollen. Eine Regeneration der Darmschleimhaut ist aufwendig und nicht in kurzer Zeit zu bewältigen. Deswegen sollten diese Kuren auch über eine längere Zeit durchgehalten werden. Die meisten Körper sind ja auch jahrelang durch Antibiotika malträtiert worden.

Krankheiten wie Fettstoffwechselstörungen, Adipositas, Allergien, Demenz und andere Autoimmunstörungen sowie Rheuma und Diabetes können durch die Wiederherstellung des Mikrobioms positiv beeinflusst werden.

Eine weitere moderne Methode der Beseitigung von Krankheiten durch Eingriffe in zentrale physiologische Bereiche des menschlichen Körpers bildet die Anti-Aging Medizin.

Hier möchte ich besonders die Behandlung mit Polyenylphosphatidylcholin (PPC) zur Zellerneuerung erwähnen. Phosphatidylcholin ist Bestandteil jeder Zelle bzw. Zellmembran, auch der der Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen. Die Zellwände werden im Lauf der Zeit durch das Leben hart und unflexibel, ihre Funktion und Aktivität stark eingeschränkt. Der Einsatz von PPC, vor allem des von einer Arbeitsgruppe neu entwickelten PPC in Nano Partikel Größe, führt durch Einlagerung in die Membran wieder zu erhöhter Flexibilität, und zwar im ganzen Körper des Patienten. Der zentrale und durch tausende von Studien belegte Erfolg (1) gilt hauptsächlich dem Einsatz bei Arteriosklerose, Leberproblemen aller Art, Diabetes und anderen Organstörungen. PPC ist ein reines Naturprodukt aus hochgereinigter Soja, welches keine Proteine der Sojapflanze mehr enthält, sondern lediglich deren extrahierte Phosphatidylcholine, wodurch es auch für Soja-Allergiker geeignet ist.

Es ist demnach ein Naturheilmittel, das direkt für die Zellerneuerung eingesetzt werden kann und auch vom Körper selbst produziert wird. Der Einsatz von PPC als adjuvante und auch als Primärtherapie wird vom Netzwerk Extended Medicine unterstützt.

Ernährung ist auch Medizin. Dass Gesundheit sowohl erhalten als auch erneuert werden kann durch tägliche ausgewogene Ernährung – Stichwort mediterrane Küche oder Diät – und dabei insbesondere zentral durch den Einsatz des wertvollen Olivenöles gehört inzwischen zum Allgemeinwissen. Doch Vorsicht! In der EU gilt Olivenöl als Olivenöl, wenn lediglich 27% Olivenöl in dem Produkt enthalten sind. Ein sehr kostbarer Stoff kann so seine gesundheitsfördernde Wirkung nicht entfalten, da er eines Anteils seiner Biophenole und Xenophenole beraubt wurde. Es findet hier Erwähnung, weil hiermit das Ausmaß der Bedeutung von Naturheilmitteln und pflanzlicher Produkte sehr gut dargestellt werden kann.

So wunderbar unsere chemischen Qualitäten auch sein mögen: Eine Grundlage für Ernährung und Medizin sind sie nicht. Industriell gefertigte Nahrung, chemisch bearbeitete und besprühte Nahrung ist Gift, ebenso wie die Antibiotika in unseren Schnitzeln. Stichwort Antibiotika: In vielen Fällen sind sie bei der Medikation überflüssig, manchmal der lebensrettende Segen schlechthin. Ihr unkritischer und maßloser Einsatz in der Medizin ist allerdings mehr Fluch als Segen.

Take Home Message

Natur- und Pflanzenheilkunde gehören zum allerersten Kulturgut des Menschen. Bereits vor Jahrtausenden wurden mit der TCM und Ayurveda zwei ganzheitlich operierende Medizinsysteme entwickelt, die sowohl energetisch als auch allopathisch arbeiten und ursprünglich damit beschäftigt sind, Prophylaxe im großen Stil zu betreiben. Diese Priorisierung von Gesundheit statt Krankheit ist das hervorstechendste Merkmal dieser ausgearbeiteten Medizin. Weitere, der Naturheilkunde zugehörige Möglichkeiten können der modernen Medizin zugeordnet werden wie die Untersuchung und Behandlung des Mikrobioms oder die Membrantherapie mit PPC. Der Unterschied von Ernährung und Medizin kann als willkürlich beziehungsweise als Fokussierung auf unsere westliche Zivilisation mit ihren Auswüchsen von Massenproduktion und Fast Food bezogen werden, ursprünglich und auch bezogen auf die zukünftige medizinische Ausrichtung muss Ernährung auch als Medizin betrachtet werden.

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2 Kommentare zu „Plädoyers für eine Erweiterte Medizin 4 – Die Bedeutung von Naturmedizin und Naturheilverfahren für die Moderne“

    1. Hallo Paule,

      schön, wenn Dir unsere Artikel gefallen. Wir hoffen, dass immer mehr Menschen in den Diskurs zur Extended Medicine treten,
      um auf holistische Weise die Gesundheit der Gesamtbevölkerung zu steigern.

      Liebe Grüße vom ABeautifulHealth-Team

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