Haarausfall? Die Beautiful Health Haarsprechstunde – Teil 2

Haarausfall Haarsprechstunde Teil 2
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Das Thema Haarausfall beschäftigt viele Menschen. Männer sind prädestiniert für vererbliche Alopezien, und bei Frauen nimmt oft die Anzahl der Haare ab oder aber es bilden sich Krankheiten, die im Schlepptau Haarausfall nach sich ziehen.
Teil 2 beschäftigt sich mit der Diagnose von Haarausfall und den Medikamenten, die gegen Haarausfall eingesetzt werden.

Inhalt Teil 1:
Medizinische Fachbegriffe für Haarausfall
Was ist Haarausfall?
Mögliche Ursachen für Haarausfall

Inhalt Teil 2:
Diagnosemöglichkeiten für Haarausfall
Medikamentöse Therapien gegen Haarausfall

Inhalt Teil 3:
Einschleusung von Wirkstoffen durch Mesotherapie, PRP und Needling
Wirkstoffe und Prozeduren der Einschleusung
Chirurgische Intervention durch Haartransplantation
Kombinationstherapien
Vorbeugung – Was kann ich tun, um keinen Haarausfall zu erleiden?
Kosten

In Teil 1 haben wir euch dafür sensibilisiert, dass es nicht den Haarausfall, sondern dass es sehr viele verschiedene Ursachen für Haarausfall gibt. Allerdings: Die androgenetische Alopezie ist die vorherrschende Form des Haarausfalls. Wenn diese Form des Haarausfalls vererbt wird, kann man denn dann überhaupt etwas gegen Haarausfall dieses Typus tun oder ist letztendlich Hopfen und Malz verloren? Diese Frage werden wir in den folgenden beiden Teilen beantworten.

Doch beginnen wir zunächst mit den Möglichkeiten, Haarausfall zu erkennen, der Diagnostik.

Diagnosemöglichkeiten für Haarausfall

Schritt Nr. 1: Die Selbstanalyse mit Haartagebuch

Jede Form von Diagnostik beginnt immer bei dir selbst. Lasst euch nichts erzählen: Ihr erkennt, ob bei euch vermehrt die Haare ausfallen, und ihr erkennt auch, wenn der Haarausfall gestoppt wird oder wenn die Haare dicker werden und auch nicht mehr stumpf und krank aussehen, wenn also durch eine (therapeutische) Maßnahme Besserung eingetreten ist.

Trotzdem würden wir immer dazu raten, einen kompetenten Arzt aufzusuchen, der über Möglichkeiten verfügt, euer ganz konkretes Krankheitsbild zu untersuchen und zu bewerten. Erste Anlaufstelle ist sicherlich ein Dermatologe für das Problem, aber immer mehr andere Fachrichtungen beschäftigen sich ebenfalls mit dem Thema.

Also: Wenn ihr das Gefühl habt, dass euch vermehrt die Haare ausfallen, solltet ihr, bevor ihr einen Arzt aufsucht, zunächst einmal feststellen, ob euer Gefühl korrekt ist oder euch betrügt. Dazu müsst ihr das tägliche Zählen der ausgefallenen Haare auf euch nehmen. Ihr benutzt dazu nur eine einzige Bürste/Kamm. Falls ihr euch die Haare wascht, sollte der Ablauf der Dusche oder des Waschbeckens ein Sieb haben, damit ihr die während des Waschens verlorenen Haare mitzählen könnt. Jeden Tag wird über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen die Zahl der ausgefallenen Haare festgestellt. Sind es unter 100, hat euch euer Gefühl vielleicht nicht betrogen, aber es hat dem vielleicht sogar vermehrten Ausfallen eine zu große Bedeutung beigemessen. Sind es täglich über 100 Haare, hat die gefühlsmäßige Warnung funktioniert und ihr habt wahrscheinlich ein tatsächliches Problem. Am besten, ihr notiert euch in einem kleinen Haartagebuch die täglichen Ergebnisse.

Ein Arzt muss hinzugezogen werden, um eine objektive Analyse, wie stark der Haarausfall ist, durchzuführen. Der Dermatologe hat dafür zwei Verfahren, entweder das Trichogramm (veraltet, aus dem Jahr 1950) oder den Trichoscan. Doch vorher erfolgt eine Anamnese.

Schritt Nr. 2: Anamnese durch den Facharzt

Zu Beginn steht die ausführliche Anamnese zu Medikamenteneinnahmen, familiärer Vorbelastung, emotionalen Stresssituationen und weiteren individuellen Risikofaktoren.

Die folgende Diagnostik umfasst die ausgiebige Untersuchung der Kopfhaut und eine individualisierte Blutkontrolle. Zusätzlich kann ein Gentest mittels Rachenabstrich durchgeführt werden, um so genetische Variationen, die zu einem Haarverlust führen, zu erkennen.

Schritt Nr. 3: Trichogramm oder Trichoscan

Trichogramm ist das ältere, schmerzhafte und auch ungenauere Verfahren, mit dem die Haardichte und das Haarwachstum bestimmt werden kann. Vielfach wird heute jedoch der Trichoscan eingesetzt, der eine genaue Auswertung ermöglicht. Haardichte und Haarwachstum können mit dem Trichogramm konventionell oder mit Unterstützung künstlicher Intelligenz (schmerzlos) durch den Trichoscan durchgeführt werden.

Trichoscan ist eine computergestützte Methode zur Bestimmung der Haardichte und des Haarwurzelstatus. Das System eignet sich sowohl für die Diagnostik als auch besonders für die Verlaufs- und Erfolgskontrolle bei der Therapie von Patienten mit Haarausfall. Das ist besonders wichtig, da sich jede Therapie gegen Haarverlust über einen längeren Zeitraum erstreckt und ein Therapieerfolg meist erst nach einigen Monaten sichtbar wird.

Trichoscan bestimmt mit Hilfe einer Auflichtkamera sowie einer zugehörigen Software die Haarzahl und Haardichte. Zusätzlich kann noch die Anagen/Telogen-Rate (Anzahl der Haare, die sich in den unterschiedlichen Wachstumsphasen befinden) bestimmt werden. Dazu sind zwei Messungen im Abstand von 2-3 Tagen und eine kleine Rasur sowie Anfärben der Haare an einer unauffälligen 2×2 cm großen Stelle der Kopfhaut notwendig.

Alle Daten werden digital abgespeichert. Weitere Verlaufsaufnahmen erlauben eine genaue Aussage über den Behandlungserfolg. Der Vorteil dieser Methode liegt in der einfachen und schnellen Bildaufnahme, der Schmerzlosigkeit des Verfahrens, der Reproduzierbarkeit und der Archivierbarkeit der Ergebnisse.

Schritt Nr. 4: Blutuntersuchung, Ausschluss von Pilz- und Bakterienerkrankungen durch Anlegen von Kulturen, Biopsie der Kopfhaut

Neben der ärztlichen Befragung und Untersuchung von Haaren und Kopfhaut kommen je nach Verdachtsdiagnose weitere Diagnostikschritte zur Anwendung. Dazu zählen Blutuntersuchungen, ggf. Ausschluss von Pilz- oder Bakterienerkrankungen sowie eine Biopsie (Entnahme eines kleinen Gewebestücks) der Kopfhaut zum Ausschluss einer Autoimmunerkrankung oder von Tumoren.

Eine Blutuntersuchung ist vor allem bei diffusem Haarausfall aufschlussreich. Der Arzt untersucht unter anderem die Eisen- und Zinkwerte, die Schilddrüsenwerte und die Entzündungswerte (wie Anzahl der Leukozyten, Blutkörperchen-senkungsgeschwindigkeit). Die Blutwerte liefern Hinweise auf mögliche Ursachen des Haarausfalls wie Eisen- oder Zinkmangel, Schilddrüsenüberfunktion oder entzündliche Erkrankungen. In der Laboruntersuchung sollte zur Absicherung von Patient und Arzt auch die Suche nach Syphilis enthalten sein, obwohl sie in unserer Gesellschaft heute so gut wie nicht vorkommt.

Bei jüngeren Frauen mit erblich bedingtem Haarausfall empfehlen Experten, die Blutspiegel der Androgene und Östrogene zu bestimmen. Das ist vor allem dann notwendig, wenn die Frauen Anzeichen für einen erhöhten Androgenspiegel zeigen wie Zyklusunregelmäßigkeiten und einen männlichen Behaarungstyp.

Nach der Diagnose erfolgt die Therapie. Aber was ist die richtige Therapie?

Medikamentöse Therapien gegen Haarausfall

Unabhängig davon, welche therapeutische Maßnahme letztendlich die richtige ist, gilt für alle Therapien, die sich des Problems Haarausfall annehmen, dass die Intervention möglichst schnell nach dem Auftreten des Haarausfalls erfolgen sollte. Hier gilt das Motto „Je früher – desto besser“. Hintergrund ist, dass häufig die Haarwurzeln nicht mehr richtig ernährt und deshalb zunächst inaktiv werden und nach einer gewissen Zeit absterben. Abgestorbene Haarfollikel können mit keiner Therapie regeneriert werden. Inaktive können reaktiviert werden.

Eine weitere Voraussetzung, ob eine Therapie wirksam ist oder nicht, ist die Benennung von Therapiezielen. Das Netzwerk Ästhetik, mit dem wir bei medizinischen Fragestellungen gerne kooperieren, hat in seinen Fortbildungen drei aufeinander aufbauende Zielvorgaben benannt:

  1. Der Haarausfall muss gestoppt oder zumindest verlangsamt werden.
  2. Die vorhandenen Haare müssen gestärkt werden.
  3. Neue Haare sollten wachsen.

Gestattet hier ein Wort zu diesen Zielen. Natürlich möchte jeder, der unter Haarausfall leidet, am liebsten das Topziel Nr. 3 erreichen. Die Frisur soll wieder so aussehen wie vor dem Haarausfall. Dies ist manchmal zu erreichen, manchmal aber auch nicht. Das hängt davon ab, wie lange bereits Haarausfall vorliegt, bevor mit der Therapie begonnen wird. Und wahrscheinlich auch noch von anderen Faktoren, deren Kenntnis wissenschaftlich noch nicht vorliegt. Aber stellt euch bitte selbst die Frage: Ist es nicht auch schon ein Erfolg, wenn der Haarausfall gestoppt wird?

Haarausfall bedingt durch andere Ursachen

Gehen wir zunächst ein auf die Ursachen, bei denen der Haarausfall nur eine Begleiterscheinung ist, die dann auch verschwindet, wenn die Ursache beseitigt wurde.

  • Medikamente, die Haarausfall verursachen, werden ersetzt oder abgesetzt.
  • Eisen- oder zinkhaltige Nahrungsergänzungsmittel können gegeben werden, falls ein Mangel dieser Mineralstoffe besteht
  • Die Aufnahme von Vitamin A kann bei Betroffenen verringert werden, bei denen der Haarausfall durch zu viel Vitamin A verursacht wurde.
  • Zugbedingter Haarausfall wird durch Eliminieren von physischem Zug oder Belastung der Kopfhaut behandelt.
  • Die Kopfhautflechte ist häufig durch Pilzbefall verursacht und wird durch Einnahme von Antimykotika (Anti-Pilzmittel) therapiert.
  • Trichotillomanie, eine zwanghafte, selbstaggressive Störung ist schwer zu behandeln, aber eine Verhaltensänderung durch Psychotherapie oder der medikamentöse Einsatz von Clomipramin oder selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern können hilfreich sein.
  • Haarausfall aufgrund körperlicher Belastungen wie kürzlich eingetretener Gewichtsverlust, eine Operation, eine schwere Krankheit mit hohem Fieber, die Einnahme von Cytostatika im Rahmen einer Krebstherapie oder die Geburt eines Kindes (telogenes Effluvium genannt) wird typischerweise nicht behandelt, da dieser sich meist von alleine wieder gibt.

Frei verkäufliche Mittel gegen Haarausfall

Es gibt zahlreiche Haarwässer und Tinkturen, Shampoos und Nahrungsergänzungsmittel, die Betroffenen zur Behandlung angeboten werden. Es ist sicher gut, wenn die in vielen Fällen fehlenden Stoffe ergänzt werden wie Zink, Eisen, möglichst auch noch Selen und Kupfer. Auch die Zuführung von Vitaminen, die das Haarwachstum unterstützen wie Biotin (Vit. B7), Folsäure (Vit. B9), Riboflavin (Vit. B2), Niacin (Vit. B3), Pantothensäure (Vit. B5), Pyridoxin (Vit. B6), Vitamin C, Vitamin A ist als sinnvoll anzusehen. Wir wollen aber an dieser Stelle auf unseren Punkt Vorbeugung verweisen, weil die Stoffe besser schon zugeführt werden, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Zusammenfassend wollen wir allerdings bei diesen Produkten die Hoffnung ein wenig zurückdrehen oder besser auf ein angemessenes Niveau senken, dass sie allein in der Lage sind, Haarausfall zu bekämpfen, wenn er bereits eingetreten ist. Oft sind hier stärkere Geschosse notwendig.

Anerkannte Medikamente gegen Haarausfall

 Es gibt 2 Medikamente, die von der Ärzteschaft und der Forschung als wirksam anerkannt werden. Wir beziehen uns hier auf einen Artikel im Deutschen Ärzteblatt von 2016 mit dem Titel Diagnostik und Therapie von Haar- und Kopfhauterkrankungen der Autoren Wolff H et al. (DOI: 10.3238/arztebl.2016.0377) sowie auf die Empfehlungen einer internationalen Arbeitsgruppe mit dem Titel Evidence-based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men (https://doi.org/10.1111/j.1610-0379.2011.07802.x).

Derzeit sind zwei pharmakologische Wirkstoffe für die Behandlung einer androgenetischen Alopezie als effektiv anerkannt:

  • topische Minoxidillösung (bei Frauen und Männern)
  • Finasterid-1-mg-Tablette (nur bei Männern).

Topisch bedeutet, dass Minoxidil (Markenname z.B. Regaine®) auf die betroffene Kopfhaut aufgetragen wird. Finasterid (Markenname Propecia®) wird nicht topisch, sondern systemisch in Tablettenform eingesetzt. Interessant ist, dass beide Wirkstoffe ursprünglich für ganz andere Indikationen zugelassen wurden, Minoxidil als Blutdrucksenker und Finasterid zur Behandlung einer gutartig vergrößerten Prostata.

In den Publikationen wird eine relativ hohe Wirksamkeit beschrieben. Wir wollen hier nicht die Ergebnisse von Studien in Frage stellen, jedoch müssen wir auf jeden Fall ein wenig Salz in die Wunde streuen:

  • Es gibt nicht zu unterschätzenden Nebenwirkungen
  • Sobald die Medikamente abgesetzt werden, setzt der Haarausfall wieder ein
  • Die Studienergebnisse beziehen sich auf Nr. 1 der von uns benannten Ziele, nämlich den Stopp des Haarausfalls.

Wir wollen hier auch auf die Behandlungskontinuität hinweisen. Gerade beim Minoxidil gibt es doch erhebliche Schwierigkeiten für die Patienten, 2x täglich die Lösung auf die Kopfhaut aufzutragen. Aber auch bei der Tabletteneinnahme ist eine gewisse Kontinuität unerlässlich.

Nebenwirkungen von Minoxidil

Gegebenenfalls treten bei Patienten, die das Mittel gegen Haarausfall verwenden, lokal Rötungen und Entzündungen der Haut auf oder die Kopfhaut juckt. Manchmal verstärkt sich der Haarwuchs im Gesicht. Selten kommt es zu Veränderungen des Blutdrucks.

Dennoch ist es ratsam, dass Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf Nebenwirkungen wie beschleunigter Herzschlag, Wasseransammlungen im Gewebe (Ödeme) und Gewichtszunahme achten: Falls die Kopfhautbarriere nicht intakt ist (zum Beispiel bei kleinen Rissen), gerät der Wirkstoff möglicherweise in den Blutkreislauf und ruft eventuell solche unerwünschten Effekte hervor.

Anfangs kommt es möglicherweise zu einem verstärkten Haarausfall. Das ist damit zu erklären, dass durch den Wirkstoff bestimmte locker sitzende Haare (Telogen-Haare) von anderen Haaren aus den Follikeln herausgeschoben werden.

In der Schwangerschaft und Stillzeit darf Minoxidil nicht angewendet werden.

Nebenwirkungen von Finasterid

Finasterid beeinträchtigt gegebenenfalls die sexuelle Lust (Libido) und das sexuelle Reaktionsvermögen. Manche Männer berichten auch von einer Berührungsempfindlichkeit und/oder einem Spannungsschmerz der Brust.

Für Frauen ist dieses Mittel gegen Haarausfall nicht geeignet, da bei Schwangeren und Frauen im gebärfähigen Alter eine Schädigung des Fötus nicht auszuschließen ist.

Die Nebenwirkungen wurden in der Vergangenheit unterschätzt. In jüngster Zeit wird auch von vielen Ärzten vor den einhergehenden Nebenwirkungen gewarnt.

Die Nebenwirkungen fassen Experten als sogenanntes Post-Finasterid-Syndrom zusammen, das allerdings nicht als eigenständige Krankheit anerkannt und sogar vielen Ärzten unbekannt ist. Zu den Symptomen gehören neben dem Libidoverlust auch chronische Schmerzen, Schlafmangel und Depressionen.

Experten vermuten, dass Finasterid nicht nur in den Testosteron-Stoffwechsel eingreift, sondern das hormonelle Gleichgewicht und damit die ausgeglichene Stimmung dauerhaft schädigt, was schließlich zu einer Depression führt. Ein Post-Finasterid-Syndrom nachzuweisen ist allerdings schwierig, denn die Blutwerte sind dabei normal, obwohl die Betroffenen weiter unter den Beschwerden leiden. Einige Ärzte warnen deshalb junge Männer davor, nur wegen Haarausfalls leichtfertig Pillen zu schlucken und eventuelle irreversible Folgen in Kauf zu nehmen.

Für die Behandlung der Alopecia Areata ist ein Medikament 2023 zugelassen worden, welches den Wirkstoff Baricitinib enthält (Markenname olumiant®). Auch dieses Medikament ist ursprünglich für die Behandlung einer anderen Erkrankung, nämlich von arthritischem Rheuma, zugelassen worden, und bei der Behandlung dieser Patienten hat man dann gesehen, dass ihnen Haare wieder gewachsen sind.

Baricitinib hat durch seine Zulassung erheblichen Wirbel ausgelöst, weil es einerseits ca. 1.000 € pro Monat kostet, und weil andererseits die Kassen diesen Betrag nicht bezahlen wollten. Kurzerhand haben die Kassen dann beschlossen, dass alle Medikamente gegen Haarausfall nicht mehr erstattet werden, sondern Privatzahlerleistungen sind, die im Normalfall vom Patienten selbst bezahlt werden müssen. Die Begründung ist, dass Haarausfall keine Erkrankung ist, sondern nur eine Einschränkung im Lifestyle nach sich zieht. Dieselbe Regelung gilt deshalb auch für Finasterid.

Nebenwirkungen von Baricitinib

Für Baricitinib liegen noch keine weitergehenden Studien bei Haarausfall vor. Wir wollen deshalb hier die Angaben des Herstellers vermitteln:

Nebenwirkungen:
Die am häufigsten berichteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die in Monotherapie oder in Kombination mit konventionellen synthetischen DMARDs auftreten können sind:

  • erhöhtes LDL-Cholesterin (Hypercholesterinämie)
  • Infektionen der oberen Atemwege

Wechselwirkungen:

  • Biologische DMARDs (= Basistherapien für rheumatoide Arthritis) oder andere JAK-Inhibitoren (z.B. Azathioprin, Tacrolimus, Ciclosporin): Risiko eines additiven immunsuppressiven Effekts
  • Probenecid, Ibuprofen und Diclofenac (OAT3-Inhibitoren): Erhöhung der AUC von Baricitinib (soll heißen, dass die Wirkung im Zeitverlauf schneller abnimmt)
  • Leflunomid: dessen Metabolit Teriflunomid ist ein schwacher OAT3-Inhibitor, wodurch eine erhöhte Baricitinib-Exposition möglich ist
  • Eine Impfung mit Lebendimpfstoffen sollte während der Therapie nicht erfolgen

Kontraindikationen:

  • Bekannte Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff
  • Schwangerschaft
  • Bei Patienten mit einer absoluten Lymphozytenzahl (ALC) von weniger als 0,5 x 109 Zellen/l, einer absoluten Neutrophilenzahl (ANC) von weniger als 1 x 109 Zellen/l oder einem Hämoglobinwert unter 8 g/dl sollte eine Therapie nicht begonnen werden.

Schwangerschaft:
Baricitinib ist während einer Schwangerschaft kontraindiziert. Es zeigte sich, dass der JAK/STAT-Signalweg an Zelladhäsion und Zellpolarität beteiligt ist, welche die frühe embryonale Entwicklung beeinflussen können.

Stillzeit:
Die zur Verfügung stehenden pharmakodynamischen/toxikologischen Daten vom Tier zeigten, dass Baricitinib in die Muttermilch übergeht. Ein Risiko für Neugeborene/Kleinkinder kann nicht ausgeschlossen werden.

Verkehrstüchtigkeit:
Baricitinib hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.

Weitere Medikamente gegen Haarausfall

Die weiter unten beschriebenen Medikamente haben die Fachgruppe, die die Empfehlungen publiziert hat, nicht wirklich überzeugt. Wir wollen sie hier trotzdem aufführen, weil einige Autoren versuchen, das ein oder andere Medikament besonders hervorzuheben.

Es muss an dieser Stelle auch auf die Bewertungen der Fachgruppe selbst kurz eingegangen werden. Die von der Gruppe angelegten Kriterien mit einem sehr hohen Level der Beweisbarkeit (=Evidenz) für eine Therapie ist sicher gut, um Scharlatane zu bekämpfen. Allerdings hindert es auch den Fortschritt, denn einige Therapien werden dort wegen angeblich fehlender Evidenz mit einem Halbsatz abgekapselt (siehe Tabelle).

Zusätzlich gibt es noch auf verschiedenen Seiten im Netz beschriebene weiteren Medikamente: Antiandrogene, Glukokortikoide („Cortison“), Dithranol, Topische Immuntherapie sowie PUVA.

Die Fachgruppe selbst hat noch eine ganze Reihe von Substanzen und Therapien auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. Dazu zählen ziemlich exotische Pflanzenextrakte ebenso wie die Mesotherapie. PRP fehlt in der Tabelle vollständig, obwohl gerade beim PRP die Studienlage sehr gut ist. Hier könnte man kritisieren, dass es schon Unterschiede gibt zwischen einer publizierten Studie beispielsweise zu Hirsesamen und der tausendfachen Anwendung von standardisierter Mesotherapie oder PRP-Therapie durch Ärzte, zu denen statistische Auswertungen vorliegen, die natürlich keinen wissenschaftlichen Evidenzgrad aufweisen können, dafür aber die Erfahrungen vieler Ärzte bündeln, was auch eine Evidenz hat. Hier die von der Fachgruppe publizierte Tabelle in deutscher Übersetzung:

Förderung des Haarwachstums– Aminosäuren
– Eisenpräparate bei fehlendem Eisenmangel
– Vitamine (Biotin, Niacin-Derivate)
– Proanthocyanidine
– Hirsesamen (Kieselsäure, Aminosäuren, Vitamine, Mineralstoffe)
– Meeresextrakt und Silicea-Bestandteil
– Chinesische Kräuter
– Ginkgo biloboa
– Aloe vera
– Ginseng
– Bergamotte
– Hibiskus
– Sorphora
– Koffein
– Melatonin
– Retinoide
– Ciclosporin
– Elektromagnetisches/statisches Feld
– Schwacher Laser
Verbesserte perifollikuläre Gefäßversorgung– Prostaglandine (Viprostol, Latanoprost)
– Aminexil
– Glycerinoxyester und Silizium
– Mineralien
– Niacin-Derivate
– Mesotherapie
DHT-hemmende Wirkung– Sägepalme
– ß-Sitosterol
– Polysorbat 60
– Grüner Tee
– Cimicifuga racemosa
Anti-entzündliche Wirkung– Ketoconazol
– Zinkpyrithion
– Kortikosteroide
Verbesserte Ernährung der Haare– Vitamine (Biotin, Niacin-Derivate)
– Spurenelemente (Zink, Kupfer)
Andere– Botulinumtoxin

Antiandrogene sind Substanzen, welche die Wirkung von Testosteron beziehungsweise dem stärker wirkenden Dihydrotestosteron (DHT) unterbinden, indem sie deren Andockstellen (Rezeptoren) besetzen.
Manche Antiandrogene wie Chlormadinonacetat hemmen ebenfalls das Enzym 5α-Reduktase (wie Finasterid), sodass weniger DHT in den Zellen entsteht. Aufgrund dieser Wirkmechanismen sollen Antiandrogene gegen erblich bedingten Haarausfall bei Frauen helfen.

Der Wirkstoff Dithranol findet vor allem in der Behandlung von Schuppenflechte (Psoriasis) Anwendung. Den hautreizenden Stoff verordnen Ärzte aber manchmal auch bei kahlen Stellen aufgrund von kreisrundem Haarausfall: Die Hautirritation regt neues Haarwachstum an. (Der Wirkmechanismus entspricht dem unten aufgeführten DCP)

Meist behandeln Ärzte kreisrunden Haarausfall äußerlich mit Cortison-Cremes oder -Lösungen. Sie lindern die entzündliche Immunreaktion an den betroffenen Stellen. Bei manchen Patienten stoppt dies tatsächlich den Haarausfall und neue Haare sprießen nach, bei anderen dagegen nicht.
Wenn die Behandlung erfolgreich ist, dann im Allgemeinen nur solange sie andauert: Beendet man die Kortisontherapie, fallen die Haare oft wieder aus.

Wenn kreisrunder Haarausfall bereits zu größeren kahlen Stellen geführt hat, hilft unter Umständen eine topische Immuntherapie. Dabei löst man durch Aufbringen des Wirkstoffes Diphencypron (DCP) gezielt eine allergische Kontaktdermatitis aus und erhält diese durch wiederholte Behandlung aufrecht.
Ziel ist es, so die Immunzellen von einem Angriff auf die Haarwurzeln „abzulenken“. Experten vermuten nämlich eine Autoimmunreaktion bei kreisrundem Haarausfall – also einen Angriff von Immunzellen auf die Haarwurzeln aufgrund einer Fehlsteuerung des Immunsystems.

Die Behandlung von kreisrundem Haarausfall mittels PUVA umfasst die Anwendung eines phototoxischen (lichtempfindliche Reaktionen) Stoffes (Psoralen), gefolgt von einer Bestrahlung der kahlen Stellen mit UV-A-Licht. Ziel ist es, den Angriff der Immunzellen auf die Haarwurzeln zu stoppen.

Im Allgemeinen appliziert man das Psoralen äußerlich (etwa als Creme). Die Behandlungsmethode gilt als ähnlich erfolgreich wie die topische Immuntherapie. Allerdings ist das Rückfallrisiko höher.

Hier endet Teil 2 unserer kleinen Haarsprechstunde.

Solange es nur die beiden medikamentösen Therapien mit den Wirkstoffen Minoxidil und Finasterid gab, war das Thema „Haare“ bei Ärzten nicht sehr beliebt. Man konnte zwar in einigen Fällen den Haarausfall stoppen, aber weitergehende Möglichkeiten (Ziele Nr. 2 und 3) der Verbesserung des Haarstatus waren eher selten und nicht vorhersagbar. Insofern wurde das Thema Haarausfall stiefmütterlich behandelt, denn ein sensibles Ärzte-Ego verträgt Misserfolg und auch ein zaghaftes Vielleicht nicht sehr gut. Die Situation änderte sich mit der Einführung von Verfahren, die eine Einschleusung von therapeutischen Substanzen erlaubten wie B-Vitaminen (Mesotherapie) und auch eine Konzentration von Wachstumsfaktoren des eigenen Blutplasmas. Auch die chirurgische Behandlung der androgenetischen Alopezie durch Haartransplantation wurde zu einem wichtigen Verfahren, weil damit doch vielen Menschen, vor allem Männern, geholfen werden konnte.
Mit all diesen Verfahren wollen wir uns im dritten Teil unserer kleinen Haarsprechstunde beschäftigen.

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