Ein Update und alte Fakten in neuem Licht betrachtet
Anfang 2022 wurde in der medizinischen hochkarätigen Zeitschrift The Lancet eine Untersuchung veröffentlicht, die ein großes Kollektiv von Forschern und Institutionen zum Thema der Antibiotika Resistenz (engl. antimicrobial resistance, AMR) veröffentlicht hat.
Ganz kurz nochmal hier eine Zusammenfassung zu den Antibiotika: 1928 entdeckt Alexander Fleming, dass ein Pilz, den er später als Penicillin bezeichnet, in der Lage ist, Bakterien an ihrem Wachstum zu hindern. Ein Medikament mit dem Wirkstoff Penicillin wurde allerdings erst 1941 auf den Markt gebracht. Es ist also noch gar nicht lange her, dass wir Antibiotika einsetzen, um bakteriologische Entzündungen unter Kontrolle zu bringen.
Das Lancet Kollektiv mit Namen AMR Collaborators hat eine riesige Datenmenge zu verarbeiten gesucht, um herauszufinden, wie gefährlich die Resistenzen für uns sind. Ergebnis: 1,2 Millionen Todesopfer durch Resistenzen und fast 5 Millionen Todesfälle, bei denen Resistenzen eine Rolle spielten. Nur als Vergleich: Das sind mehr Todesfälle als HIV und Malaria zusammen ergeben!
Wir haben es hier mit einem wirklichen Problem zu tun. Das zeigt sich auch daran, dass die Aufenthaltsdauer nach Operationen weltweit ansteigt, weil die Entzündungen nicht mehr so gut bekämpft werden können. Wir können hier nicht alle Ergebnisse der 30-seitigen Publikation aufzeigen, die beiden oben genannten Zahlen sollten zunächst genügen. Hier aber kurz der Ansatz des Kollektivs, was genau untersucht wurde: „ Unser Ansatz lässt sich in fünf große Komponenten unterteilen: Anzahl der Todesfälle, bei denen eine Infektion eine Rolle spielte, Anteil der infektiösen Todesfälle, die auf ein bestimmtes infektiöses Syndrom zurückzuführen sind, Anteil der Todesfälle durch infektiöse Syndrome, die auf einen bestimmten Krankheitserreger zurückzuführen sind, Prozentsatz eines bestimmten Krankheitserregers, der gegen ein bestimmtes Antibiotikum resistent ist, und das mit dieser Resistenz verbundene erhöhte Sterberisiko oder die Dauer einer Infektion.“ Diesen Ansatz – das zeigt die Publikation – kann man durchaus als ambitioniert bezeichnen. Wir Laien können an ihm aber vor allem erkennen, wie kompliziert die Gemengelage insgesamt bereits ist.
Wir passen uns immer besser an unsere Umwelt an und Bakterien tun dies auch. Wenn man sie also beständig den Antibiotika aussetzt, werden sie resistent. Besonders schlimm sind die multi-resistenten Keime (MRSA), bei denen fast alle Antibiotika nicht mehr wirken und die häufig in Krankenhäusern anzutreffen sind. Bereits vor etwa 30 Jahren hat es einen Fall gegeben, von dem der Arzt John Ross kürzlich auf Twitter (https://twitter.com/JohnRossMD/status/1481089246089854976) berichtet hat: Eine Patienten wurde über ein halbes Jahr mit einem Antibiotika behandelt und ihr ging es immer schlechter. Man hat diesen Fall untersucht und dabei festgestellt, dass das Bakterium das Antibiotikum zum Überleben brauchte, so gut hatte es sich an seine Umwelt angepasst. Das sollte aufhorchen lassen!
Wir Menschen haben damit natürlich zu tun, dass die Bakterien immer besser mit den Pilzen klarkommen, die sie eigentlich töten sollten. Bei den Ärzten ist mittlerweile eine gewisse Sensibilität eingekehrt, seitdem in den Fachzeitschriften über Resistenzen berichtet wird, was früher nicht unbedingt der Fall war. Hauptauslöser für die Resistenz jedoch war wohl der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung. Verboten ist mittlerweile, Antibiotika für schnelleres Wachstum einzusetzen, denn das wurde früher gemacht z. B. bei Geflügel. Das hat zur Anpassung vieler Bakterien geführt. Was immer noch gemacht wird ist, dass eine ganze Stallpopulation bei einer Infektion mit Antibiotika behandelt wird. Das ist auch ein Mittel, um Resistenzen flächendeckend zu verbreiten.
Wie unser Verhalten während der Pandemie oder den Klimaschutz betreffend zeigt, sind wir noch nicht bereit, uns vorausschauend zu ändern. Es muss uns bereits weh tun, dann ändern wir uns vielleicht, wenn es dann noch möglich ist. Dasselbe gilt wohl auch für unseren Umgang mit den Antibiotika, der mehr als fahrlässig ist.
Hier geht es zu der Originalquelle:
Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis
Antimicrobial Resistance Collaborators
https://www.thelancet.com/action/showPdf?pii=S0140-6736%2821%2902724-0
Unter uns Ärzten ist allerdings bereits seit Jahrzehnten bekannt, dass Bakterien gegen Antibiotika Resistenzen entwickeln können. In Eurem Beitrag hört sich das so an, als wenn wir Ärzte erst seit ganz kurzer Zeit damit sensibler umgehen. Das stimmt so nicht.