Die soziale Macht der Schönheit – Teil 1

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Bild ©Lightworks-Gallery, V. Schrader

Eine kleine Artikelserie von Dr. med. Margrit Lettko (Medizinische Direktorin des Netzwerk Ästhetik) und Dirk Brandl (Sprecher Netzwerk Ästhetik)

In der ästhetischen Medizin haben wir es mit der Optimierung von vielfältigen Faktoren zu tun, die unser Gegenüber als „schön“ oder „attraktiv“ wahrnimmt. Schönheit hat immer eine soziale Bedeutung und ist nie losgelöst von den gesellschaftlichen Verhältnissen zu sehen. Unser Spiegelbild betrachten wir nicht nur mit unseren Augen, sondern vor allem auch mit den Augen der anderen. Dies zeigt die gesellschaftliche Bedeutung von etwas zutiefst Persönlichem. Ästhetische Medizin kann nur dann erfolgreich arbeiten, wenn wir hinter die Fassade blicken und verstehen, warum Menschen attraktiver werden wollen. Das ist der Sinn dieser kleinen Artikelserie.

Aspekte der Globalisierung

Karl Marx charakterisierte unser Wirtschaftssystem als ein System, in welchem Arbeiter und Angestellte freigesetzt wurden, ihre Arbeitskraft als Ware zu verkaufen. Wenn es doch dabei geblieben wäre! Der Warencharakter der Arbeitskraft ist nach wie vor die Grundlage unserer entwickelten Wirtschaftssysteme. Und heute, im Zeitalter der Globalisierung, mag diese Charakterisierung insbesondere noch zutreffen für die produzierende Industrie, die mittlerweile in die Exportproduktionszentren (EPZ) in China, Nordkorea oder Bangladesch ausgelagert ist (Naomi Klein „No Logo“). Die Marketingabteilungen, die diese Produkte entwickeln und designen, den Bedarf wecken und uns Konsumenten davon überzeugen, sie zu kaufen, liegen dennoch nach wie vor in den Metropolen des Geldes in Europa und den USA. Und auch die Firmen, die die Produktion optimieren, finden sich noch immer in den Zentren der Macht. Wer hier arbeiten will, muss mehr verkaufen als nur seine Arbeitskraft oder Qualifikation. Hier wird Persönlichkeit gekauft, und wer sich an diesen Fleischtöpfen niederlassen will, muss viel dafür tun, um attraktiv zu sein, also dem schönen Schein der Ware genügen. Dies sind die ökonomischen Hintergründe, warum immer mehr Menschen sich damit beschäftigen, attraktiver zu werden. Könnt Ihr damit etwas anfangen? Geht es Euch auch so?

Attribute der Attraktivität können sehr vielfältig sein, je nachdem, wer uns betrachtet: Für den Chef einer Baufirma ist ein Arbeiter attraktiv, der Muskelberge sein Eigen nennt. Für den Chef einer Telefonmarketingfirma spielt das Aussehen so gut wie keine Rolle, dafür aber die Stimme umso mehr. Überall, wo direkter Kontakt zwischen Kunde und Verkäufer besteht, sind vielfältigere Attribute gefragt.

Aber wie funktioniert das, wenn wir jemanden als schön bzw. attraktiv bewerten? Worin sind die Gründe zu sehen, warum eine Person als attraktiv und eine andere als unattraktiv betrachtet wird? Mit diesen Fragen beschäftigt sich dieser Artikel.

Catherine Hakim, Soziologin an der London School of Economics, hat vor kurzem das Buch „Erotisches Kapital, das Geheimnis erfolgreicher Menschen“ herausgebracht. Grund dafür war ihre Erkenntnis, dass Attraktivität im öffentlichen Leben immer wichtiger wird. Unter erotischem Kapital versteht sie „eine schwer greifbare Mischung aus äußerer Schönheit, sozialer Attraktivität und Sex-Appeal, die manche Menschen besonders anziehend macht“. Bedeutung und Wert von erotischem Kapital würde enorm in unserer sexualisierten und individualisierten modernen Gesellschaft wachsen und sei ihrer  Meinung nach nicht weniger wichtig als wirtschaftliches (Gut und Geld), kulturelles (was man weiß) und soziales Kapital (wen man kennt), wobei der Begriff „Kapital“ hier missverständlich benutzt wird.

Letztlich sagt Hakim nichts anderes, als dass Attraktivität unsere wichtigste zwischenmenschliche Währung ist. Diese Aussage ist sicher richtig, auch wenn jeder durch seine eigenen Interessen geleitet den Filter Attraktivität wirken lässt.

In Teil II der Serie geht es darum, warum Attraktivität für uns so wichtig ist. Eine Übersicht aller besprochener, oder zitierter Werke findet ihr am Ende des 6. Teils.

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