Die soziale Macht der Schönheit – Teil 6

4.5
(2)

Bild ©Lightworks-Gallery, V. Schrader

Eine kleine Artikelserie von Dr. med. Margrit Lettko (Medizinische Direktorin des Netzwerk Ästhetik) und Dirk Brandl (Sprecher Netzwerk Ästhetik)

Habt ihr die ersten fünf Teile dieser Artikelserie bereits gelesen? Wenn nicht, dann folgt am Besten diesem Link um ganz vorne einzusteigen, oder den folgenden Links für für Teil 2, Teil 3, Teil 4 und Teil 5.

Der ästhetische Eingriff

Hammermesh hat sich die Frage gestellt, ob wir etwas für unsere Schönheit tun können. Er beantwortet sie mit einem Nein. Aus einem hässlichen Entlein würde auch durch die beste Kosmetik und das schönste Kleid keine schöne Prinzessin. Was die Natur uns mitgibt, sei ausschlaggebend. Jeder schönheitsbezogene chirurgische Eingriff stünde in keinem Verhältnis zum Ergebnis, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um die Beseitigung von extremen pathologischen Veränderungen.

Dieser Aussage ist bedingt zuzustimmen. Patienten sehen nach einem chirurgischen Eingriff oft nur anders, aber nicht unbedingt attraktiver aus. In vielen Fällen müssen zusätzliche Therapien folgen wie Hautverbesserung, Volumenauffüllung, Reduzierung von übermäßiger Mimik. Was wir mit unserer Arbeit des ästhetischen Mediziners erreichen, ist die Initiierung eines psychischen Prozesses. Der behandelte Patient verändert sein Selbstbild positiv und fühlt sich glücklicher und selbst attraktiver. Die Folge ist ein höheres Selbstvertrauen und eine sich daraus entwickelnde gesteigerte Attraktivität. Dadurch initiieren wir einen mit positiven Merkmalen belegten Prozess. Schon Prof. Heckmann zeigte mit einer Arbeitsgruppe 2003 auf, dass mit Botox behandelte Personen von ihrem Gegenüber entspannter und glücklicher eingeschätzt wurden.

Eine weitere Untersuchung von Forschern ging noch einen Schritt weiter, indem sie annahmen, dass der durch Botox hervorgebrachte Gesichtsausdruck auch die Gefühle des Behandelten beeinflussen würde (Facial-Feedback-Hypothese).

Übersetzt heißt dies, dass ein bei uns künstlich hergestellter Gesichtsausdruck nicht nur unsere Gefühle selbst beeinflusst (Rückkopplung beim Sender), sondern dass dieser aufgrund des Nachahmungsreflexes (Spiegelneuronen!) beim Gegenüber ebenfalls zu einem entsprechenden Gesichtsausdruck führt und ebenfalls durch Rückkopplung zu einer entsprechenden Gefühlsveränderung seinerseits (Empfängerrückkopplung).

Dieser beidseitige Feedbackmechanismus kann dazu führen, dass man seine Welt positiver wahrnimmt, aber es führt auch dazu, dass man die entsprechenden Emotionen schwerer erkennt, z. B. bei der Behandlung der Glabella Falte (Zornesfalte) die Gefühle von Ärger.

Die in dieser Serie zitierten Untersuchungen befassen sich mit Ergebnissen, die alle einen winzigen Ausschnitt eines Gesamtbildes der Attraktivität einer Person beleuchten, mehr nicht. Unser Gesamtbild ist sicher von vielen anderen Faktoren abhängig und natürlich auch nicht zuletzt von unserem eigenen Bewusstsein, dass sich entweder von Bildern beherrschen lässt oder aber diese beherrscht und die eigenen Reaktionen kritisch hinterfragt. Wir sollten deshalb akzeptieren: Attraktivität ist eine Entscheidungsprämisse und beeinflusst jedes Individuum.

Die ästhetisch arbeitenden Mediziner und der Patient, der sich behandeln lassen will, sollten sich unserer Meinung nach nicht von Studien einer vermeintlichen Ästhetik leiten lassen, sondern sich mit den individuellen Gegebenheiten des Patienten befassen. Das Ziel ist die Rückkehr zu den Attributen von Jugendlichkeit und damit Vitalität.

Leider treffen wir auch auf Patienten, die man als Opfer des Schönheitswahns bezeichnen muss. Mit diesen werden wir uns in der nächsten Artikelserie beschäftigen, die wir mit der Überschrift „Die soziale Ohnmacht der Schönheit“ überschrieben haben. Ästhetische Medizin kann unserer Ansicht nach durch ihre Tätigkeit zur Entwicklung von egalitären Gesellschaften beitragen. Ästhetische Mediziner und alle Patienten jedoch sollten sich des Ziels ihrer Eingriffe stärker bewusstwerden, wenn sie diese Entwicklung aktiv beeinflussen wollen.

Hier einige interessante Bücher und Artikel zum Thema Attraktivität, die wir auch zitiert oder besprochen haben:

  • Naomi Klein: No Logo!, Riemann Verlag 2001
  • Hakim, Catherine: Erotisches Kapital. Das Geheimnis erfolgreicher Menschen. Frankfurt 2011
  • Catherine Hakim: Erotik ist das Kapital des modernen Menschen. In Welt am Sonntag Nr.18, 2010
  • Langlois, J. H. & Roggman, L. A. (1990) Attractive faces are only averages. Psycholgical Science, 1, 115-121
  • Gründl, M. (2011): Determinanten physischer Attraktivität – der Einfluss von Durchschnittlichkeit, Symmetrie und sexuellem Dimorphismus auf die Attraktivität von Gesichtern, Habilitationsschrift, Regensburg
  • Renz, Ulrich: Schönheitsformel.de/bloq.2009
  • Jones B. C., Little, A. C., Penton-Voak, I. S., Tiddeman, B. P., Burt, D. M. & Perrett, D. I. ( 2001) Facial symmetry and judgements of apparent health: support fo a „good genes“ explanation of the attractiveness-symmetry relationship. Evol. Hum. Behav. 22, 417 – 429.
  • Braun, M., Gründl, C., Marberger, C. ,Scherber, C.: Beautycheck –  Ursachen und Folgen von Attraktivität. Projektabschlussbericht. Zu bekommen unter www.beautcheck.de, 2001
  • Cunningham, M. R. 1986 Measuring the physical attractiveness: quasi-experiments on the sociobiology of female facial beauty. J. Pers. Soc. Psychol. 50, 925-935
  • Cunningham, M. R., Barbee, A.P. & Pike, C. L. 1990 What do women want? Facialmetric assessment of multiple motives in the perception of male facial physical attractiveness. J. Pers. Soc. Psychol. 59, 61 – 72
  • Renz, Ulrich: Schönheit. Eine Wissenschaft für sich, Lübeck 2006
  • Todorov, A., Said, C. P., Engell, A. D., & Oosterhof, N. N. (2008). Understanding evaluation of faces on social dimensions. Trends in Cognitive Sciences, 12, 455-460.
  • Guggenberger, Bernd: Einfach schön. Hamburg 1997, S, 23
  • Langlois, J. H./ Kalakanis, L., Rubenstein, A. J., Larson, A., Hallam, M. und Smoot, M. (2000) „Maxims or myths of beauty? A meta-analytic and theoretical review“, Pschological bulletin, 126 (3):390-423
  • Langlois, Judith H. / Lori A. Roggman / Rita J. Casey / Jean M. Ritter / Loretta A. Rieser-Danner / Vivian Y. Jenkins: «Infant Preferences for Attractive Faces: Rudiments of a Stereotype?» Developmental Psychology (Washington, DC), 23 (3), 1987, p. 363-369
  • Kanazawa, S. „ Intelligence and physical attraktiveness“ Intelligence 39 (2011)7-14
  • Hammermesh, Daniel S. Beauty pays, Princton 2011
  • Möbius, M., Rosenblatt, T. (2006) „Why Bauty matter“, American Economic Review 96
  • Spanhel, F. (2010): Der Einfluss der Körpergröße auf Lohnhöhe und Berufswahl. Aktueller Forschungsstand und neue Ergebnisse auf Basis des Mikrozensus. In: Wirtschaft und Statistik, H.2, S.170-178
  • Heckmann, M., Teichmann, B., Schröder, U., Sprengelmeyer, R., Caballos-Baumann, AO. Pharmacologic denervation of frown muscles enhances baseline expression of happiness and decraeses baseline expression of anger, sadness, and fear. J Am Acad Dermatol. 2003; 49(2):213-6.
  • Alam, M., Barrett, K.C., Hodapp, R.M., &Arndt, K.A. (2008). Botulinum toxin and the facial feedback hypotheses: Can looking better make you feel happier? Journal oft he American Adademy of Dermatology, 58, 1061-72
  • Havas, D.A. Glenberg, A.M. Gutowski, K.A., Lucarelli, M.J., Davidson, R.J..Cosmetic use of botulinum toxin-A affects processing of emotional language. Psychol Sci. 2010, 895-900

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Kommentar verfassen