Das Thema Alzheimer Demenz brennt auf den Nägeln – das zeigt sich in vielen Familien, das zeigt sich aber auch daran, dass sehr viele wissenschaftliche Artikel zu diesem Thema publiziert werden.
Heute wollen wir uns mit der Frage beschäftigen: Gibt es Risikofaktoren, die für eine Demenz ausschlaggebend sind und welche Empfehlungen werden gegeben?
Die Empfehlungen der Lancet Commission
Das Thema Risikofaktoren wird seit mehreren Jahren diskutiert. Was kann Demenz, besonders Alzheimer, verschlechtern oder beschleunigen? In der medizinischen Zeitschrift The Lancet wurde dafür eine Kommission gebildet, die sich in einer Publikation 2020 mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Auf den ersten Blick sehen die Faktoren wie ein Sammelsurium von allem aus, was uns krank machen kann. Die Kommission hat daraus eine Liste von Empfehlungen entwickelt, was sich vorbeugend, aber auch sozial und bei der Betreuung ändern kann, um die Situation zu verbessern.
Hier die Empfehlungen im Einzelnen:
- Individuelle Präventionsmaßnahmen:
- Auf den Blutdruck achten; die systolischen Werte sollten ab etwa 40 Jahren bei 130 mmHg oder weniger liegen. Bei erhöhten Werten wird zu Blutdrucksenkern geraten.
- Schutz der Ohren vor übermäßigem Lärm und Verwendung von Hörgeräten bei Hörbeeinträchtigung bzw. Hörverlust
- Verringerung der Belastung durch Luftverschmutzung und Tabakrauch
- Kopfverletzungen verhindern bzw. geeignete Schutzmaßnahmen treffen
- Einschränkung des Alkoholkonsums; Alkoholmissbrauch und Alkoholkonsum von mehr als 21 Einheiten pro Woche erhöhen das Risiko, an einer Demenz zu erkranken
- Auf Rauchen verzichten; als Raucher Raucherentwöhnung anstreben; der Verzicht auf Rauchen verringert das Risiko für eine Demenz auch im späteren Leben
- Gute Bildungschancen für Kinder schaffen
- Verringerung von Übergewicht/Adipositas und Diabetes
- In der Mitte des Lebens körperlich aktiv sein, möglichst auch im späteren Leben
- Andere mutmaßliche Risikofaktoren für Demenz beachten; Schlaf und Schlafqualität lassen sich durch Lebensstiländerungen verbessern
- Sozialer Stoffwechsel, wirtschaftliche Situation, Rahmenbedingungen:
- Viele Risikofaktoren für Demenz treten verstärkt bei schwarzen bzw. asiatischen Menschen, bei ethnischen Minderheiten und in gefährdeten Bevölkerungsgruppen auf. Zur Bewältigung gehört nicht nur die Gesundheitsförderung, sondern man braucht auch politische Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensumstände (eine Umgebung, die körperliche Aktivität fördert, besserer Zugang zu gesunder Nahrung, die Verringerung von Lärmbelästigung und Luftverschmutzung).
- Demenzerkrankungen nehmen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen (LMIC) stärker zu als in Ländern mit hohem Einkommen, denn dort treten potenziell veränderbare Risikofaktoren häufiger auf. In LMIC ist auch der Zugang zu weiterführenden Schulen beschränkt.
- Individuelle Präventionsmaßnahmen:
- Betreuung: Dazu zählen die physische und psychische Gesundheit, Sozialfürsorge und die Unterstützung im Alltag; durch entsprechende Hilfestellungen ließen sich Krankenhaus-Aufenthalte verhindern.
- Bewältigung psychischer Symptome (z.B. Depression): Spezifische Interventionen, die sich aus mehreren Komponenten zusammen setzen, verringern neuropsychiatrische Symptome bei Demenzkranken und sind deshalb die Therapie der Wahl.
- Hilfe und Unterstützung für pflegende Angehörige: Spezifische Interventionen für pflegende Angehörige haben einen langfristig positiven Effekt auf Depressionen und Angstsymptome, erhöhen die Lebensqualität von pflegenden Angehörigen, sind kosteneffektiv und könnten Geld sparen.
Was halten wir von diesen Empfehlungen?
Zunächst ist es gut, dass die Autoren auch die soziale Komponente mit in Ihre Aufmerksamkeit genommen haben. Es ist wohl nicht zu verhindern, dass bei einer globalen Betrachtung auch nur diese Empfehlungen herauskommen können. Ob dies den Betroffenen und ihren Familien hilft kann getrost bezweifelt werden, dazu sind die Empfehlungen viel zu umkonkret.
Einen Punkt möchten wir diskutieren, nämlich den der Armut, also bestimmte Bevölkerungsgruppen und ärmere Länder. Wir wollen nicht in Abrede stellen, dass Armut ein Faktor sein kann für Demenz. Aber für uns tut sich eine Kluft auf von den vielen Kranken in unseren reicheren Ländern, die nicht gerade abnehmen werden in ihrer Zahl, wenn man die Prognosen bis 2050 in Betracht zieht.
Es scheint so zu sein, als wenn man bei diesen Empfehlungen alle möglichen Untersuchungen zu Cross-Referenzen einbezogen hat. Also man hat untersucht, wieviele Raucher unter den Demenzpatienten waren und hat dann daraus geschlossen, dass Rauchen Demenz fördert. Dass Rauchen nicht gut ist gilt für beinahe alle Erkrankungen. Hier zeigt sich die eigentliche Hilflosigkeit dem Phänomen Demenz gegenüber.
Wer wie die moderne Medizin sich ausschließlich auf Erkenntnisse stützt, die eine rein körperliche Ausrichtung haben wird das Geheimnis nicht ergründen können.
Das Psycho-Physische Konglomerat Alzheimer Demenz hat viele Facetten, die es zu durchdringen gilt. Die angesprochenen psychischen und sozialen Aspekte kratzen dabei nur an der Oberfläche, aber sie überschreiten immerhin den Bereich des rein Körperlichen.
Literatur:
Prof Gill Livingston, MD , Jonathan Huntley, PhD, Andrew Sommerlad, PhD, Prof David Ames, MD, Prof Clive Ballard, MD, Prof Sube Banerjee, MD
et al.: Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission, Published in The Lancet: July 30, 2020, DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30367-6