Einmal implantierte Herzschrittmacher oder Defibrillatoren (ICDs) gelten nach dem Tod des Patienten meist als Elektroschrott. Dementsprechend werden sie post-mortem in der Regel vernichtet. Kanada geht seit fast 40 Jahren einen anderen Weg und verwertet technisch einwandfreie Implantate in Lateinamerika wieder. Eine neue Studie belegt nun die Unbedenklichkeit dieser Methode.
Die Ausgangslage in Kanada
Seit 1983 werden in Kanada Herzschrittmacher und ICDs ähnlich wie bei der Organspende mit dem vorherigen Einverständnis der Patienten oder ihrer Angehöriger nach dem Tod entnommen, auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft, aufwändig gereinigt und anschließend zur Reimplantation nach Lateinamerika transportiert. So wurden beispielsweise in der Provinz Quebec von 28 eingetragenen Bestattungsunternehmen fast 14.000 gebrauchte ICDs an das Montreal Heart Institute geliefert. Lediglich 10% aller eingesendeten Geräte wurden als technisch einwandfrei und damit als für eine Wiederverwendung geeignet eingestuft.
Die Reinigung und erneute Sterilisierung der empfindlichen Implantate ist aufwändig und kompliziert. Deswegen entwickelten die Verantwortlichen hierfür ein strenges Routine-Verfahren, was den medizinisch einwandfreien Zustand der Geräte gewährleisten soll. Entsprechend behandelte Devices werden anschließend in lateinamerikanische Staaten wie Mexiko, Guatemala oder Honduras geliefert. Die dortigen Krankenhausmitarbeiter kennen sich oftmals mit der Wiederverwendung medizinischer Artikel aus. Entsprechend nehmen sie die endgültige Resterilisation der Implantate vor.
Der Studienaufbau
Seit 2003 führt das Montreal Heart Institute das sogenannte Heart-to-Heart-Zentralregister. In diesem werden sämtliche Fälle von wiederverwendeten Herzschrittmachern und Defibrillatoren erfasst. Den 1.051 Patienten aus diesem Register wurden jeweils drei Patienten zugeordnet, welche in Geschlecht, Alter und Indikation übereinstimmten und im selben Jahr ein fabrikneues Implantat erhielten. In 85% der Fälle wurde ein Herzschrittmacher implantiert, in 15% ein ICD.
Im Zuge der Studie wurde nun untersucht, in wie vielen der insgesamt 4.204 Fälle es zu Infektionen oder gar Todesfällen im Zusammenhang mit der Operation kam.
Die Ergebnisse der Studie
Bei den wiederverwendeten Geräten wurde eine Infektionsrate von lediglich 2% verzeichnet, meist mit Staphylococcus aureus oder Staphylococcus epidermis. Bei den fabrikneuen Geräten lag die Infektionsrate bei 1,2%. Zwar liegt dieser Wert niedriger als der bei den Patienten mit einem wiederverwendeten Device, allerdings liegt diese Abweichung noch unter der Signifikanzgrenze. Er bewegt sich also innerhalb der erwartbaren Schwankungen bei dieser Form des operativen Eingriffs. Todesfälle im Zusammenhang mit besagten Implantaten gab es in beiden Patientengruppen glücklicherweise nicht.
Dr. Carsten W. Israel, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin im Evangelischen Klinikum Bethel in Bielefeld stellt fest, es gebe mit Bezug auf diese Untersuchungsergebnisse keinen Grund, die Wiederverwendung von Herzschrittmachern oder Defibrillatoren in Drittweltstaaten nicht fortzuführen und sogar auszuweiten. Israel hat selbst schon gespendete Herzschrittmacher in Kenia implantiert und weiß daher genau um die Risiken, aber auch die Chancen dieses Verfahrens.
Die Wiederverwendung von Herzschrittmachern – Eine Option für Deutschland?
Die Ergebnisse dieser großen Studie decken sich eins zu eins mit denen bereits veröffentlichter Untersuchungen mit kleineren Populationen. Nach Auffassung der Autoren sei es nun an der Zeit, die Wiederverwendung von Herzschrittmachern und IDCs auch in anderen führenden Industrienationen ins Auge zu fassen. Besonders hervorzuheben seien dabei diejenigen, in denen die Entnahme der Geräte gesetzlich einfach umzusetzen wäre. In Schweden beispielsweise ist die Entnahme von Devices bei Verstorben bereits Standard. Eine Einwilligung von Patienten oder Angehörigen ist hier gar nicht mehr nötig. In Deutschland geschieht die Entnahme lediglich vor einer Feuerbestattung, doch sei eine Ausweitung dieser Praxis juristisch kein Problem.
Man muss sich nur einmal vor Augen halten, wie viel Ärzte in Drittweltstaaten mit gespendeten wiederverwendeten Implantaten bewegen könnten. In weiten Teilen Afrikas beispielsweise sind Herzschrittmacher unverhältnismäßig teuer, da es dort kein direktes Vertriebssystem gibt. Die wenigsten Familien können sich demnach eine solche Operation leisten. Durch resterilisierte Herzschrittmacher und IDCs fiele in einigen Fällen zumindest die finanzielle Hürde weg.
Allzu oft siechen afrikanische Patienten mit gravierenden Herzbeschwerden über Jahre dahin, während in Deutschland die Behandlung durch einen Schrittmacher mittlerweile zur klinischen Routine gehört.
Für eine mögliche Wiederverwendung entsprechender Geräte wäre es jedoch vorab notwendig, eine zentrale Koordinationsstelle auf Bundesebene einzurichten. Diese könnte die Schrittmacher und IDCs von den Bestattungsunternehmen annehmen, aufbereiten und an ausgewählte Institute in bedürftigen Ländern weiterleiten. Patienten könnten dann wie beim Organspendeausweis entsprechende Verfügungen über den Verbleib ihrer Implantate nach dem Tod erlassen. Wozu technisch einwandfreie Geräte zerstören, wenn sie in anderen Teilen der Welt noch von Nutzen sein können?
Wenn ihr etwas genauer nachlesen wollt, findet ihr die englische Original-Publikation unter: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1813876.
Zu weiteren Beiträgen rund um das Thema koronare Beschwerden gelangt ihr über das Schlagwort https://abeautifulhealth.org/tag/herzleiden/.
Ich finde die wieder Verwertung gut !