Demenz ist für viele eine Art Schreckensgespenst, das sich hinter dem Älterwerden versteckt. Lange Zeit galt, man könne sich durch geistige Aktivität vor einer späteren Demenz-Erkrankung schützen. Eine neue Studie sägt nun allerdings massiv an dieser These. Was genau an dieser Studie dran ist und wie ihre Ergebnisse zu deuten sind, haben wir für euch genau untersucht.
Schützt geistige Aktivität doch nicht vor späterer Demenz?
Der Studienaufbau
Die britische Studie mit 850.000 Teilnehmerinnen hat sich mit genau dieser Fragestellung beschäftigt. Hierbei wurden die im Schnitt 60 Jahre alten Damen nach ihren Freizeitaktivitäten befragt. Kurse für Erwachsenenbildung, Kunst, Handwerk, Musik oder auch tägliches Lesen – alles floss in die Auswertung mit ein. Gleichzeitig erfassten die Forscher der Universität Oxford in den folgenden 16 Jahren sämtliche Diagnosen von Demenz bei den Teilnehmerinnen. Darauf aufbauend errechneten sie ein relatives Risiko der Erkrankung für die ersten 4, 9 und über 10 Jahre.
Während des genannten Studienzeitraums entwickelten 4% der Teilnehmerinnen eine Demenz. Von diesen allerdings lediglich 3% in den ersten vier Jahren. Bei weiteren 15% trat die Diagnose nach 5-9 Jahren auf und ganze 82% entwickelten erst nach über 10 Jahren eine nachweisbare Demenz. Der Altersdurchschnitt bei der Diagnose lag bei 79 Jahren.
Tatsächlich zeigte sich, dass die Teilnehmerinnen, welche regelmäßig geistigen Aktivitäten nachgingen, ein deutlich geringeres Risiko aufwiesen, an Demenz zu erkranken. Leider gilt das nur für die ersten 4 Jahre nach Studienbeginn. Im Zeitraum von 5-9 Jahren nahm der positive Effekt spürbar ab und wurde nach über 10 Jahren komplett vernachlässigbar. Das bedeutet, dass ein positiver Effekt bei der Vorbeugung von Demenz lediglich in den ersten 4 Jahren der Studie feststellbar war.
Die Schlussfolgerung der Studienleitung
Die Herausgeber der Studie schreiben, „dass es schon Jahre vor einer Demenz-Diagnose eine fortschreitende Reduktion bei der Teilnahme an geistigen Aktivitäten“ gäbe. „Die Aktivitäten selbst haben aber keine oder nur geringe Relevanz für das Auftreten der Demenz.“
Mit anderen Worten: „Geistige Aktivitäten sind kein schützender Faktor gegen die Entwicklung einer Demenz.“
Die Verantwortlichen fordern deshalb, die offiziellen Leitlinien zum Thema Demenz neu zu formulieren. Bisher heißt es dort nämlich im internationalen Konsens, geistige Aktivität wirke protektiv bezüglich des Auftretens einer Demenz.
Kritik an der Studie
Experten warnen, die neue Studie als Maß aller Dinge anzusehen und weisen auf einige deutliche Schwächen bei der Erfassung der Daten hin:
- Die Art der geistigen Aktivitäten sei viel zu undifferenziert erfasst worden. Man habe lediglich erfasst, ob die Teilnehmerinnen regelmäßig lesen würden. Eine genaue Erfassung, wie viel und vor allem was genau gelesen worden sei, hätte nicht stattgefunden. Denn natürlich besteht ein deutlicher Unterschied darin, ob jemand täglich lediglich ein paar Seiten eines Groschen-Romans liest oder ob er sich mit gehobener, eventuell sogar Fachliteratur beschäftigt.
- Außerdem sei die Diagnostizierung einer Demenzerkrankung immer noch problematisch. Speziell in Deutschland sei Demenz stark unterdiagnostiziert. Die Studienergebnisse lediglich auf die klinische Feststellung dieser komplexen neurologischen Erkrankung zu beziehen, sei nicht zuverlässig genug.
- Eine ganze Reihe anderer Studien widerspräche deutlich den Behauptungen der Forscher aus Oxford. Und auch wir finden: Eine einzelne Studie, und sei sie noch so aufsehenerregend, darf niemals sämtliche gegenläufigen Erkenntnisse aufwiegen.
Fazit
Selbstverständlich ist es immer schwer bis unmöglich, einen Einzelfaktor herauszugreifen, wenn es um komplexe Zusammenhänge geht. Demenz ist dabei mit Sicherheit keine Ausnahme. Oftmals führt das Fehlen gemeinschaftlicher Aktivitäten zu sozialer Vereinsamung und häufig auch zu weniger körperlicher Bewegung. Es entsteht ein Teufelskreis, in dem schlussendlich das ausschlaggebende Moment verschwimmt und nicht mehr auszumachen ist.
Solange die Studie aus Oxford also nicht durch andere, unabhängige Forschungserkenntnisse gestützt wird, darf keine Rede davon sein, die bisherigen Empfehlungen zu verdammen. Schließlich konnte zumindest in den ersten vier Jahren ein positiver Effekt von geistiger Aktivität verzeichnet werden. Selbst eine Verlangsamung der Krankheit ist ein Fortschritt, an dem es festzuhalten gilt.
Wenn ihr euch Gedanken zu diesem Thema macht, dann lasst euch nicht abhalten, geistig aktiv zu sein. Beschäftigt euch mit Inhalten, die euch interessieren, die euch geistig fordern und an denen ihr Freude finden könnt! Geistige Aktivität könnte durchaus einen gewissen Schutz vor Demenz darstellen. Gerne bleiben wir für euch an dieser Thematik dran.
Wer möchte, kann sich die Studie unter folgendem Link noch einmal selbst zu Gemüte führen:
https://www.thelancet.com/journals/lanpub/article/PIIS2468-2667(20)30284-X/fulltext#%20
Und wer sich als nicht selbst Betroffener ein Bild davon machen möchte, was Demenz mit uns als Mensch macht, den verweisen wir an dieser Stelle herzlichst auf unseren bestehenden Artikel zu diesem Thema:
https://abeautifulhealth.org/aus-der-forschung/alzheimer/
Das ist doch wieder quatsch und ein Berweis dafür, dass ich immer das herausbekomme, was ich eingebe und wovon ich überzeugt bin. Im Sessel hinter dem Ofen sitzen, ist bestimmt kein gutes Heilmittel