Bereits vor der Pandemie galten 15 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland als übergewichtig und rund 6 % sogar als adipös, also fettleibig. Eine repräsentative Forsa-Umfrage zeigt nun, dass jedes sechste Kind sogar noch ein paar sogenannte Corona-Kilos zugelegt hat. Wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist und wovor Experten nun warnen, haben wir im Folgenden für euch zusammengefasst.
Die Eckdaten der Forsa-Umfrage
Insgesamt wurden 2022 im März und April 1004 Eltern mit Kindern im Alter zwischen 3 und 17 Jahren zur körperlichen Verfassung ihrer Sprösslinge befragt. In erster Linie ging es dabei um Fragen der Ernährung, der täglichen Bewegung, Sport und des Medienkonsums während der Corona-Pandemie. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Umfrage lauten wie folgt:
- 16 % der Kinder und Jugendlichen haben während der letzten zwei Jahre an Gewicht zugenommen und überschüssige Corona-Kilos angesammelt. Bei Schulkindern im Alter zwischen 10 und 12 Jahren, also im Übergangsalter auf die weiterführenden Schulen, ist der Wert mit 32 % am höchsten.
- 44 % der Eltern gaben an, dass ihre Kinder sich merklich weniger bewegen würden als vor der Pandemie. Wieder liegt der Wert bei den 10- bis 12-Jährigen mit 57 % am höchsten.
- Bei rund einem Drittel der Kinder hat die körperlich-sportliche Fitness deutlich nachgelassen. Bei den Kindern zwischen 10 und 12 Jahren war das sogar bei fast der Hälfte der Fall.
- 70 % der Kinder und Jugendlichen haben ihren täglichen Medienkonsum deutlich gesteigert und verbringen damit mehr Zeit vor dem Fernseher, dem PC oder dem Handy.
- Etwa 27 % der Eltern bemerkten, dass ihre Kinder immer häufiger zu Süßigkeiten und Snacks griffen.
- Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien, speziell mit Eltern mit einem niedrigen Bildungsgrad, neigen fast doppelt so häufig dazu, Corona-Kilos anzusetzen, wie Kinder aus einkommensstarken Haushalten mit verhältnismäßig hohem Bildungsstandard (23 % im Vergleich zu 12 %).
Folgt auf die Corona-Pandemie nun eine Adipositas-Epidemie?
Das eine oder andere Corona-Kilo wäre ja durchaus zu verkraften. Allerdings ist es alles andere als leicht, einmal angesammelte Speckpölsterchen wieder loszuwerden. Denn oftmals ist die Gewichtszunahme nur Ausdruck eines sich wandelnden Lebensstils.
Bereits im Juli 2021 gingen die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) von rund 2 Millionen übergewichtigen Kindern in Deutschland aus. Davon wurden rund 800.000 als adipös eingestuft. Diese Schätzung scheint nun sogar bereits überholt zu sein und muss nach oben hin korrigiert werden. Experten beider Gesellschaften sprechen inzwischen schon von einer „zweiten, stillen Pandemie“.
Gewichtszunahmen im zweistelligen Bereich innerhalb weniger Monate sind nach Angabe von Kinder- und Jugendärzten immer häufiger anzutreffen. Und auch die Manifestationen von Typ-2-Diabetes erreichen besorgniserregende Rekordzahlen.
Übergewicht bei Kindern nur das Ergebnis jahrelanger Fehlentwicklung?
Es wäre jedoch ein Fehler, nun alles allein auf die Corona-Pandemie zu schieben. Vielmehr sind diese Corona-Kilos das Endergebnis eines bereits seit Jahren immer deutlicher werdenden Trends. Denn ein fittes, sportlich aktives Kind wird nur durch die Schließung des Spielplatzes oder des Sportvereins nicht automatisch zur übergewichtigen Couch-Potato.
Schuld an der Misere sind stattdessen kontinuierliche Fehlentwicklungen im Jugendalter. So zeigen selbst normalgewichtige Minderjährige bereits seit etlichen Jahren einen Rückgang der Muskelmasse bei gleichzeitig steigendem Körperfettanteil. Die Pandemie schlägt sich also deswegen so stark auf das Gewicht nieder, weil die Kinder von heute im Allgemeinen zu unsportlich und wenig leistungsfähig sind. Und eine Trendwende scheint kaum in Sicht zu sein.
Das soziale Umfeld ist entscheidend
Kinder und Jugendliche brauchen einen strukturierten Tagesablauf und ein gesundes soziales Umfeld, um sich optimal entwickeln zu können. So erklärt sich auch die starke Gewichtszunahme bei Schuldkindern über 10 Jahren. Der Übertritt auf die weiterführenden Schulen mit Nachmittagsunterricht und allgemein zunehmendem Arbeitspensum stellt eine tiefgreifende Veränderung dar. Regelmäßige und ausgewogene Mahlzeiten sowie sportliche Betätigung sind daher besonders wichtig. Doch fehlende Freizeitangebote bringen dieses prekäre Gleichgewicht ins Wanken. Hier wären also konkret die Eltern gefordert, regulierend einzugreifen.
Nur leider hat die Forsa-Umfrage auch gezeigt, dass genau das bei Kindern aus einkommensschwachen Haushalten mit eher niedrigem Bildungsstand oft nicht der Fall ist. Kinder, deren Eltern finanziell gut abgesichert sind und über einen hohen Bildungsgrad verfügen, sind nur wenig betroffen. Im Gegensatz dazu zeigte in der Umfrage jedes vierte Kind von Eltern mit Hauptschulabschluss eine merkliche Steigerung des Körpergewichts. Hier fehlt oft von Haus aus bereits der notwendige Zugang zu Freizeitangeboten sowie das Bewusstsein für gesundes und ausgewogenes Essen.
Es zeigt sich also wie so oft in den vergangenen zwei Jahren: Corona trifft die Schwächsten unserer Gesellschaft häufig am härtesten. Die Pandemie verbreitert die Kluft zwischen den sozialen Schichten. Und wenn wir als Eltern nicht handeln, sind die Folgen für unsere Kinder auf viele Jahre noch gar nicht abzusehen.
Daher unser Appell:
Lasst uns gemeinsam etwas für die Gesundheit unserer Kinder tun! Schluss mit den Corona-Kilos!
Konkrete Zahlen und Schaubilder zu dieser Forsa-Umfrage findet ihr unter:
https://adipositas-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2022/05/2022-05-31_DAG-EKFZ_forsa-Umfrage_Ergebnispraesentation_final.pdf
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