Auch wenn es einem nicht bewusst ist, hat sich fast jeder schon einmal Phytotherapie zunutze gemacht. Wenn man zum Beispiel schonmal bei Blähungen Kümmel zu sich genommen hat, desinfizierenden Salbeitee gegurgelt hat, wenn der Hals entzündet war, oder bei Prellungen und Stauchungen auf Arnika zurückgegriffen hat. Daher ist es nicht verwunderlich, dass 72% der Deutschen an die Kraft der Pflanzen glauben und diese gerne als sanfte Alternative zu chemischen Arzneien nutzen.
Doch wie genau ist Phytotherapie definiert? Und wie unterscheiden sich Phytotherapeutika von gewöhnlichen Medikamenten? Wir geben Euch eine kleine Einführung in das Thema der Pflanzenheilkunde.
Was genau ist Phytotherapie?
Unter Phytotherapie versteht man die Heilung, Linderung und Vorbeugung von Krankheiten und Beschwerden aller Art durch die in Pflanzen enthaltenen Wirkstoffe. Sie ist somit eines der ältesten Therapieverfahren in der Medizin weltweit. Die alten Hausmittel, die man aus der Kindheit noch kennt, stützen sich auf den Erfahrungsreichtum von Generationen. So wurde zum Beispiel die Weidenrinde schon jeher als Mittel gegen Fieber und Schmerzen aller Art verwendet. Dabei gelang es erst im 19. Jahrhundert die wirkende Salicylsäure aus der Pflanze zu isolieren. Dies erlaubte es ab 1874 den Wirkstoff als abgepacktes Medikament zu vertreiben. Heute kennen wir es als Aspirin.
Doch genau hier setzt die Unterscheidung zwischen Phytotherapeutika und „klassischen“ Medikamenten an. Die heutige Medizin stützt sich bei Medikamenten in der Regel auf reine, isolierte Wirkstoffe, um mit größtmöglichem Fokus gegen gewisse Beschwerden vorzugehen. Dies ist in vielen Fällen auch gut und notwendig. Doch so, wie manche Vitamine oft nur in Kombination mit anderen Vitaminen ihre volle Wirkung entfalten, so kann es oft auch wichtig für den Körper sein, alle Wirkstoffe einer Pflanze aufzunehmen. Um bei unserem Bild zu bleiben: manchmal ist es besser, einen ganzen Apfel zu essen, als nur ein Vitaminpräparat zu sich zu nehmen.
Und genau das ist Phytotherapie. In der Pflanzenheilkunde kommen grundsätzlich nur ganze Pflanzen oder Pflanzenteile (Blüten, Blätter, Samen, Rinden, Wurzeln etc.) zur Anwendung. In welcher Form unser Organismus diese verwerten kann, ist mitunter sehr unterschiedlich, doch dazu später mehr.
Welche Formen von Phytotherapie gibt es?
Grundsätzlich werden zwei Formen der Phytotherapie unterschieden. Die „traditionelle Phytotherapie“ und die „rationale Phytotherapie“. Zur ersten Kategorie gehören Konzepte wie die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) oder die Ayurvedischen Medizin aus Indien. Diese stützen sich vorrangig auf die überlieferten Erfahrungen der oft bereits seit mehreren tausend Jahren angewandten Verfahren. Bislang war es oft schwierig, ihre Wirksamkeit mit Studien vollständig zu belegen oder zu erklären. Doch wie so oft gilt auch hier – wer heilt hat Recht.
Dem gegenüber steht die rationale Phytotherapie. Diese baut zwar ebenfalls auf den Grundlagen der traditionellen Pflanzenheilkunde auf, erhebt allerdings den Anspruch, naturwissenschaftliche Standards zu erfüllen. D.h. es werden naturwissenschaftliche Bewertungsmaßstäbe verwendet und die Wirksamkeit der enthaltenen Pflanzen sowie der Zubereitungen und Kombinationen wird jeweils anhand von Studien belegt.
Wie gewinnt man in der Pflanzenheilkunde die Wirkstoffe aus Pflanzen?
Um die gewünschten Wirkstoffe richtig aufnehmen zu können, müssen diese aus den Pflanzen herausgelöst werden. Dafür gibt es verschiedenste Methoden, von denen wir Euch hier ein paar vorstellen möchten.
- Bei einem Infus oder Dekokt wird die Pflanze entweder mit Wasser übergossen, oder in Wasser aufgekocht und dann nach einer gewissen Zeit abgeseiht. Das kennt jeder von uns vom Teekochen.
- Bei einem Mazerat handelt es sich um einen Aufguss mit kaltem Wasser, der nach einer gewissen Ziehzeit abgeseiht wird. Dies wird bei hitzeempfindlichen, schleimstoffhaltigen Pflanzen eingesetzt.
- Ein Perkolat kennt wohl jeder von uns fast aus dem täglichen Gebrauch. Zumindest die Kaffeetrinker unter uns. Um ein Perkolat herzustellen, werden die Pflanzenteile von einem Lösungsmittel durchsickert.
- Eine Tinktur oder Urtinktur (in der Homöopathie als Ausgangsstufe für die Herstellung homöopathischer Potenzen genutzt) ist ein alkoholischer Auszug.
- Aus der Pflanze können ebenfalls ätherische Öle gewonnen werden. Diese sind vielfältig einsetzbar – sowohl oral einzunehmen, oberflächlich anzuwenden oder als Aromatherapie.
- Zuletzt können Pflanzen auch zu Pulver vermalen werden. Daraus weiterverarbeitet können Salben, Gele oder Kapseln/Tabletten entstehen
Für welche Gebiete eignet sich Phytotherapie überhaupt?
So vielfältig die Wirkstoffe der etwa 70.000 weltweiten Pflanzenarten und deren Verarbeitungsformen sind, so breit sind sie auch anzuwenden. Oftmals bieten sie eine klasse Ergänzung zur Schulmedizin und entlasten schonend dort, wo nur „Abwarten und Teetrinken“ hilft. So können zum Beispiel gut Beschwerden des Magen-Darm-Traktes wie Bauchschmerzen, Verstopfungen oder Blähungen behandelt werden (vorausgesetzt ein Arzt hat abgeklärt, dass keine schwerwiegendere Erkrankung vorliegt). Ebenso Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlaflosigkeit, Stress und vieles mehr.
Welche Kontraindikationen und Nebenwirkungen gibt es bei Phytotherapie?
Erwähnt werden sollte an dieser Stelle, dass der Begriff des Phytotherapeuten in Deutschland nicht geschützt ist, sich also ein jeder so benennen darf. Es dürfen allerdings nur ausgebildete Ärzte und Heilpraktiker die Therapie auch durchführen. Und das aus gutem Grund.
So schonend natürliche Mittel auch sein mögen, kann es immer auch allergische Reaktionen auf einzelne Stoffe geben. Ebenfalls können Unverträglichkeiten mit anderen Medikamenten gegeben sein. Ein Arzt oder Heilpraktiker kann sicher einschätzen, wann welche Mittel sinnvoll und unbedenklich sind. Man sollte sich also in jedem Falle professionell beraten lassen.
Ein letzter Hinweis noch: Pflanzliche Mittel können auch extrem stark wirken. Die vermeintliche Unterscheidung von Pflanzentherapie = schonend und Medikamententherapie = stark ist nicht richtig. Häufig kommt es auch auf die richtige Dosis und den Wirkmechanismus an, der einer Pflanzentherapie zugrunde liegt.
Abschließende Worte
Was sich seit Jahrtausenden erfolgreich bewährt hat, zeigt auch heute noch durchschlagende Wirkung. Uns die Natur zunutze zu machen ist Teil der menschlichen Geschichte und hilft uns auch heute in weiterentwickelter Form, besser mit Erkrankungen und Leiden umzugehen.
Falls ihr selbst bislang wenig die Pflanzenheilkunde genutzt habt, dann fragt doch beim nächsten Besuch Eures Heilpraktikers oder Arztes mal nach. Vielleicht gibt es ja eine natürliche Alternative zum Schnupfenspray, den Schmerz- oder Allergiemitteln.
Weitere Informationen findet Ihr auch auf der Seite der GPT – Gesellschaft für Phytotherapie e.V.