Osteopathie – Ganzheitlich heilen allein mit den Händen

Osteopathie - Ganzheitlich heilen allein mit den Händen
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Osteopathie hat in den letzten Jahren einen deutlichen Aufwärtstrend erfahren. Besonders Menschen, die von der klassischen Schulmedizin enttäuscht sind oder ihr skeptisch gegenüberstehen, suchen oft Rat beim Osteopathen. Wie genau diese Form der Therapie funktioniert und was ihr wissen solltet, bevor ihr euch auf die Suche nach einem Therapeuten macht, haben wir für euch recherchiert.

Die Geschichte der Osteopathie

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte der amerikanische Landarzt Andrew Taylor Still auf Grundlage seiner Alltagserfahrungen eine neue Form der Behandlung. Er war einer der ersten Mediziner, die körperliche Beschwerden ganz explizit bestimmten Bewegungseinschränkungen zuordneten. 1874 veröffentlichte er seine Behandlungsmethode und 1892 schließlich gründete er in Kirksville, Missouri, die American School of Osteopathy. Diese ist in das heutige Kirksville College of Osteopathic Medicine aufgegangen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannten immer mehr US-Bundesstaaten die Osteopathie Stills als offizielle Heilmethode rechtlich an. Schließlich brachte der Engländer Dr. John Martin Littlejohn, ein langjähriger Schüler Stills, die Osteopathie auch nach Europa. 1917 eröffnete er die bis heute bestehende British School of Osteopathy. Seit 1993 ist der Beruf des Osteopathen im Vereinten Königreich rechtlich anerkannt.

In Deutschland konnte die Osteopathie erst ab den 1980er Jahren Fuß fassen, als immer mehr internationale Schulen beispielsweise aus Frankreich oder Belgien Niederlassungen in der BRD eröffneten. Derzeit finden sich hierzulande circa 20 meist private Schulen, welche an rund 70 Standorten im Bundesgebiet Osteopathen ausbilden. Seit dem Wintersemester 2011/12 kann man in Deutschland auch den Bachelor-Studiengang Osteopathie belegen.

Philosophie und Wirkungsweise der Osteopathie

Andrew Taylor Still war der festen Überzeugung, der menschliche Körper verfüge als von Gott geschaffenes Wesen über die nötigen Selbstheilungskräfte, um die alltäglichen medizinischen Beschwerden aus eigener Kraft zu bekämpfen. Seine Aufgabe als Arzt sah er vor allem darin, diese Heilungskräfte in seinen Patienten zu aktivieren, indem er gezielt vorhandene Bewegungseinschränkungen besonders der Wirbelsäule entfernte. So entstand sein berühmtes Credo: „Find it, fix it, leave it“.

Um jedem Organ und jedem Körperteil die optimale, natürliche Bewegungsfreiheit zu geben, werden Blockaden und Gewebespannungen gelöst. Als „Werkzeug“ nutzt der Osteopath hierfür seine eigenen bloßen Hände. Er ertastet Veränderungen im Gewebe des Patienten und führt sie in den Normalzustand zurück, um die Selbstheilungs- und -regulationskräfte des Körpers zu reaktivieren und wirken zu lassen.

Als Konkurrenz oder gar komplette Alternative zur Schulmedizin sieht die Osteopathie sich allerdings nicht. Vielmehr verfolgt sie einen anderen Ansatz, nämlich den der Ganzheitlichkeit. Während konventionelle Ärzte vermeintlich nur Symptome behandeln, sucht der Osteopath nach eigenen Angaben nach der Ursache. Und da alle Teile des Körpers ein großes Ganzes ergeben und untereinander verbunden sind, kann die Ursache für Beschwerden in einem anderen Teil des Körpers angesiedelt sein als dort, wo die Symptome zutage treten. Beispielsweise können Rücken- und Nackenschmerzen so von einem Beckenschiefstand herrühren und nicht von einem Wirbelschaden.

Diagnose und Therapie

Wie bei vielen anderen Disziplinen der Alternativmedizin gilt auch bei der Osteopathie: Ein guter Therapeut nimmt sich Zeit. So kann eine Sitzung beziehungsweise Behandlungseinheit schnell mal eine volle Stunde dauern. Denn jeder erfolgreichen Behandlung geht stets ein ausführliches Vorgespräch voraus, bei dem der Osteopath versucht, sich einen Überblick über seinen Patienten zu verschaffen.

Durch die sogenannte Palpation, also die Untersuchung des Gewebes durch Abtasten, macht der Osteopath sich ein Bild vom Zustand des Patienten. Muskeln, Faszien, Knochen, Nerven, Blutgefäße, innere Organe – für einen geschulten Therapeuten spielt all das zusammen. Natürlich bedarf das neben eines guten Tastsinns auch jahrelangen Trainings und Erfahrung.

Wichtig bei einer osteopathischen Behandlung ist immer wieder der Faktor Zeit. Während bei kleineren Unliebsamkeiten spürbare Erfolge schon nach einer Sitzung möglich sind, braucht es bei komplizierten Krankheitsbildern oft eine ganze Weile, bis sich eine deutliche Besserung einstellt. Selbstheilung läuft nicht von heute auf morgen. Oftmals bedarf es mehrerer Einheiten, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Einen passenden Therapeuten finden

Der VOD, der Verband der Osteopathen Deutschland e.V., existiert seit 1994 und verzeichnet derzeit rund 5.400 Mitglieder in 2.000 Städten und Gemeinden. Er vergibt zwei Arten von Marken:

  • D.O. ® steht für Diplom Osteopath. Diesen Zusatz darf nur tragen, wer eine mindestens vier bis fünf Jahre umfassende Ausbildung absolviert und diese erfolgreich mit einer entsprechenden Abschlussarbeit beendet hat. Diese Marke stellt die höchste Qualitätsstufe für Osteopathen in Deutschland dar.
  • M.R.O. ® darf im Namen tragen, wer sich als Mitglied im Register der Osteopathen hat eintragen lassen und dabei erklärt hat, ausschließlich osteopathisch zu behandeln. Ärzte mit Zusatzausbildung, die neben ihrem normalen Praxisbetrieb osteopathisch behandeln, können diese Marke folglich nicht erhalten.

Am einfachsten findet ihr einen solchen Therapeuten über die Umkreissuche des VOD. Zu dieser gelangt ihr unter: Umkreissuche VOD.

Mittlerweile bezuschussen auch viele Krankenkassen osteopathische Behandlungen. Ob und in welchem Umfang das bei eurer Krankenkasse der Fall ist, könnt ihr ganz einfach hier nachlesen: Krankenkassenliste.

Übrigens: Da die Osteopathie in Deutschland offiziell unter den Begriff der Heilkunde fällt, darf der Beruf des Osteopathen rechtlich nur von approbierten Ärzten und zugelassenen Heilpraktikern ausgeübt werden. Solltet ihr auf Angebote von Personen stoßen, die diese Kriterien nicht erfüllen, solltet ihr tunlichst davon absehen, euch von diesen behandeln zu lassen.

Der fortwährende Streitpunkt der Studienlage

Wir von A Beautiful Health wollen ganz sicher nicht beurteilen, wie sinnvoll oder wie effektiv eine osteopathische Behandlung ist. Allerdings sehen wir als unabhängiger Patienten-Blog es als unsere Pflicht an, vollständig und objektiv zu berichten. Darum können und wollen wir das Streitthema der Studienlage hinsichtlich der Wirksamkeit von Osteopathie nicht außen vor lassen.

Zwar gibt es eine Vielzahl von Studien, welche die Wirksamkeit und Effizienz von osteopathischen Behandlungen untersucht haben, allerdings lässt sich aus diesen kein eindeutiges Ergebnis ableiten. Häufig wird kritisiert, die Untersuchungen seien methodisch zu ungenau, der Probandenkreis zu klein und die Nachuntersuchungen zu lückenhaft. Außerdem haben es sämtliche Osteopathen vermieden, konkrete Behandlungsverläufe zu dokumentieren. Es ist also nicht möglich, Veränderungen am Patienten gezielt auf die geleistete Therapie zu beziehen. Allzu häufig vermeiden Therapeuten diese Konkretisierung mit dem Vermerk, sie würden ja jeden Patienten individuell behandeln. Allerdings schmälern sie so automatisch die Aussagekraft der Studien.

Cordula Braun, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Cochrane Deutschland und Ko-Sprecherin des Fachbereichs Gesundheitsberufe im Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin, beispielsweise bezeichnet die Studienlage zur Osteopathie als „absolut ernüchternd„. Es bedürfe methodisch sauberer und in jedem Fall größerer Untersuchungen, um endlich Gewissheit in das eher durchwachsene Grau der Studienergebnisse zu bringen.

Übrigens ist der bloße Fakt, dass viele Krankenkassen osteopathische Behandlungen bezuschussen kein Resultat evidenzbasierter Forschungsergebnisse. Die Gelder für die Bezuschussung stammen nämlich aus dem Budget für sogenannte Satzungsleistungen. Damit sind sie freiwillige Leistungen der Kassen und faktisch ein Werbeinstrument, um potenzielle Kunden anzulocken beziehungsweise langfristig an sich zu binden.

Eine Lanze brechen für die Osteopathie

Fernab von wissenschaftlichen Untersuchungskriterien oder lückenloser Dokumentation muss man der Osteopathie einen Punkt zugutehalten: Sie nimmt sich Zeit. Allzu häufig herrscht bei niedergelassenen Schulmedizinern ein spürbarer Zeitdruck. Möglichst viele Termine in möglichst kurzer Zeit müssen absolviert werden, um wirtschaftlich rentabel zu sein. Die knapp kalkulierte Patientenpauschale lässt leider oft nicht mehr zu. Osteopathen dagegen haben es sich auf die Fahne geschrieben, ganzheitlich zu behandeln und dabei weit in die Tiefe zu gehen. So finden Sie häufig Zusammenhänge und Ursachen, die ein normaler Arzt in nur wenigen Minuten Diagnose gar nicht finden kann.

Patienten fühlen sich gut aufgehoben und vor allem auch ernstgenommen. Die individuelle Rundumbetreuung durch den Osteopathen spielt dabei oft eine ebenso große Rolle wie die körperliche Behandlung selbst. Es gibt demnach vieles, das Schulmediziner und Osteopathen gegenseitig voneinander lernen könnten. Sie ständig gegeneinander abzuwägen und auszuspielen, schadet letztendlich nur einem, nämlich dem Patienten.

Weitere Beiträge rund um das Themengebiet der alternativen Medizin findet ihr bei uns unter dem Schlagwort: Alternativmedizin.

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