Im ersten Teil haben wir euch zunächst nur die Fakten rund um Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe zu Verfügung gestellt einschließlich weiterführender Links. Uns ist dabei aufgefallen, dass es sinnvoll ist, uns den Prozess unseres Blutzuckerstoffwechsels einmal anzusehen, um genauer zu verstehen, warum wir Süßstoffe verwenden und wie dieser Aspekt unseres Stoffwechsels aus dem Ruder laufen konnte.
Kohlehydrate ==> Zucker ==> Glucose
Wahrscheinlich erzeugt allein der Begriff Zucker eine abschreckende Wirkung auf euch, denn Zucker ist heute beinahe schon zu einem Synonym für ungesunde Lebensweise geworden. Die populärwissenschaftliche Bezeichnung von Diabetes als Zuckerkrankheit oder einfach Zucker hat sicher mit dazu beigetragen.
Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass Zucker ein hervorragender und lebensnotwendiger Energielieferant für unseren Organismus ist. Was passiert eigentlich genau, wenn wir Zucker zu uns nehmen? Im Prinzip geht es darum, dass Zucker im Organismus zunächst in Glucose umgewandelt wird. Umgangssprachlich wird Glucose auch als Traubenzucker bezeichnet. Um ehrlich zu sein: Der Weg der Energiegewinnung im Körper ist sehr komplex und besteht aus vielen Schritten (Siehe Link Glucose Stoffwechsel). Was wir wissen müssen: Glucose kann entweder sofort in den Zellen in Energie umgewandelt werden, sie kann aber auch gespeichert werden als Glykogen.
Was ist der Blutzuckerspiegel?
Wir kommen jetzt zu weiteren Begriffen, die ihr bereits gehört habt, aber deren Bedeutung vielfach nicht genau bekannt ist. Dies sind der Blutzuckerspiegel und die Funktion des Hormons Insulin. Zuckerkranke Patienten müssen sich Insulin spritzen, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren, das wissen wir gerade noch. Die Konzentration von Glucose im Blut wird als Blutzuckerspiegel bezeichnet. Der Blutzuckerspiegel ist der Messwert für den Zuckerstoffwechsel. Ihr könnt euch das vorstellen, indem ihr davon ausgeht, dass unser Körper in ständiger Veränderung begriffen ist, die durch verschiedene äußere und innere Faktoren hervorgerufen wird. Innerhalb gewisser Parameter oder Toleranzen bleibt das System stabil, aber wenn es sich außerhalb der Toleranzen bewegt, fordert es Veränderungen an.
Ein gutes Beispiel für Regulierungen ist die Funktion von Thermostaten, die ihr alle kennt. In unseren Räumen wird die Temperatur über die Thermostate reguliert. Dass geschieht mit Hilfe von Soll- und Ist-Werten. Nehmen wir an, wir wollen 20 Grad Raumtemperatur haben. Das Thermostat wird warmes Wasser in die Heizkörper pumpen, wenn die Temperatur unter einen bestimmten Ist-Wert sinkt, sagen wir 18 Grad. Sobald die Temperatur eine gewisse Grenze, sagen wir 22 Grad übersteigt, schaltet das Thermostat die Zufuhr von warmem Wasser wieder aus.
Genauso geht es uns mit dem Zuckerstoffwechsel. Der Soll-Wert für Glucose für den Blutzuckerspiegel liegt bei 80-100 mg pro 100 ml Blut. Glucose wird immer aus Kohlenhydraten gewonnen, die wir zu uns nehmen. Der normale Zucker ist auch ein Kohlenhydrat.
Wir haben es bei den homöostatischen Regulierungen mit zwei verschiedenen Aspekten zu tun: Zum einen muss der Wert eine so große Toleranz aufweisen, dass wir nicht permanent ausgleichen – sprich essen oder trinken – müssen, zum anderen hat das System auch einen evolutionären Aspekt. In der Frühzeit unserer Entwicklung hatten die Menschen eben noch nicht den Supermarkt um die Ecke, sondern sie mussten oft längere Zeit hungern bevor sie die nächste Nahrung zu sich nehmen konnten. Um diese Perioden zu überstehen, wurde die Glucose in den Fettzellen als Glykogen gespeichert, um sie in Phasen des Hungers wieder freisetzen zu können und damit das Überleben zu sichern.
Der Regulationsmechanismus
Wir wollen euch jetzt mit einem Organ bekannt machen, der Bauchspeicheldrüse oder Pankreas. Wie der Name schon sagt handelt es sich um eine Drüse, die verschiedene Stoffe produzieren kann und die gleichzeitig der „Thermostat“ für den Blutzuckerspiegel ist. Heißt, sie setzt die Produktion bestimmter Stoffe in Gang, wenn davon ein Mangel herrscht, der zu einem Ungleichgewicht im Körper führt.
Die für unser Thema nicht so wichtige Funktion der Bauchspeicheldrüse ist, dass sie täglich bis zu 2 l eines Sekrets produziert, das in den Darm abgegeben und dort umgewandelt wird, damit die Nahrung aufgespalten und verdaut werden kann.
Der für uns wichtige Teil ist die Produktion von Hormonen, die direkt ins Blut gehen. Die beiden hauptsächlichsten dort produzierten Hormone sind Insulin und Glucagon. Sie sind quasi die beiden Stellschrauben (Ist-Werte), die unseren Blutzuckerspiegel zum Soll-Wert hin regulieren können. Wir haben es hier also nicht wie beim Thermostat mit einem einfachen An- und Abschalten zu tun, sondern mit der Freisetzung von Hormonen, die im Blut einen chemischen Prozess initiieren. Insulin senkt den Blutzuckerspiegel nach Hyperglykämien (Überzuckerung, z. B. nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit) ab, Glucagon erhöht den Blutzuckerspiegel nach Hypoglykämien (Unterzuckerung, z.B. nach einem Marathonlauf). Über- und Unterzuckerung sind allerdings nur die beiden Extreme. In Wirklichkeit wird der Blutzuckerspiegel die ganze Zeit reguliert durch die Ausschüttung der verschiedenen Hormone.
Bleiben wir noch ein wenig beim Insulin und der Frage, was genau passiert, wenn Insulin ausgeschüttet wird. Das Insulin ist in der Lage, dem Blut Glucose zu entziehen und zu den Zellwänden zu transportieren. Das Insulin wird von der Bauchspeicheldrüse ins Blut ausgeschüttet und gelangt von dort zu allen Zellen, die durch Insulin schneller Glukose aus dem Blut aufnehmen und verarbeiten können. Nachdem sich Insulin an die Oberflächenrezeptoren der Zellen bindet, aktiviert es innerhalb der Zelle eine Kaskade an Signalen. Dies führt zu einer gesteigerten Glucoseaufnahme in den Zellen und damit zu einer Reduzierung der Glucose im Blut.
Was ist schiefgelaufen?
Wir nehmen alle zu viel Zucker zu uns. Die Soll-Werte unseres Zuckerkonsums sind erheblich niedriger als die Ist-Werte unserer jährlichen Aufnahme. 2021/22 lag der Zuckerkonsum in Deutschland laut Statista bei 34,8 kg pro Kopf. Dies entspricht einem Verbrauch von 95 g pro Tag. Die WHO und alle Fachgesellschaften empfehlen aber maximal 50 g Zucker am Tag, davon mit eingerechnet der Zucker, der über andere Lebensmittel konsumiert wird. Der Maximalwert für freien, nicht an Lebensmittel gebundenen Zucker wird mit 25 g am Tag angegeben. Das sind 6 Teelöffel täglich.
Bereits 8000 vor unserer Zeitrechnung, also vor etwa 10.000 Jahren, wurde Zucker angebaut, also in einer Zeit, in der Nomadentum noch vielfach an der Tagesordnung war. Weil Zucker ein so guter und schneller Energielieferant ist, lieben wir ihn. Vielfach wird sogar von Zuckersucht gesprochen. Was in der Steinzeit bis ins Mittelalter noch akzeptabel war, ist spätestens seit der Moderne nicht mehr so. Die Industrie macht sich das Suchtpotenzial des Zuckers zunutze, indem sie vielen Lebensmitteln Zucker beifügt. Dies gilt auch für Produkte, bei denen Zucker keine wirkliche Bedeutung hat. Das ein Kuchen gesüßt werden will ist ja verständlich, warum aber Zucker auch in anderen Lebensmitteln in erheblicher Menge anzutreffen ist, hat lediglich die Bedeutung, dass diese Lebensmittel sich besser verkaufen lassen. Beispiele sind eingelegte Gurken (12 g pro Glas), Heringssalat (200g enthält 16 g Zucker), Instant Cappuccino (eine Dose mit 220 Gramm Cappuccino enthält 97 Gramm Zucker) oder Rotkohl (ein 700 Gramm Glas Rotkohl enthält 77 Gramm Zucker). Oft wird auf den Verpackungen verschleiert, dass es sich um Zucker handelt. Dextrose oder Gerstenmalzextrakt hört sich zunächst nicht nach Zucker an, ist aber Zucker.
Zucker ist unser Dickmacher Nr. 1 und Verursacher vieler Zivilisationskrankheiten, und das ist auch der Grund, warum andere Süßungsmittel mit weniger Kalorien entwickelt wurden. Die Gefahr, die von diesen ausgeht, wollen wir in Teil 3 und 4 dieser Serie besprechen.
Weiterführende Links zum Thema Zucker
Zucker und Glucose
• Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Glucose
• NDR: https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Die-groessten-Irrtuemer-ueber-Zucker,zucker125.html
• Stern: https://www.stern.de/gesundheit/diabetes/grundlagen/glukose-zucker-ist-treibstoff-fuer-den-koerper-3435842.html
• Purecaps: https://www.purecaps.net/blog/glukosestoffwechsel-der-motor-fuer-unseren-koerper
• Zentrum der Gesundheit: https://www.zentrum-der-gesundheit.de/ernaehrung/lebensmittel/zucker-uebersicht/zucker#
• Klinikum Esslingen: https://www.klinikum-esslingen.de/infos-fuer-kids/wissensecke/wie-wird-aus-zucker-energie/
Blutzucker
• Staufenburg Klinik: https://www.staufenburg-klinik.de/fachbereiche-krankheitsbilder/gesundheitsthemen/artikel/was-ist-der-blutzucker-und-was-geschieht-bei-zu-hohem-oder-niedrigem-blutzuckerspiegel/
• Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Blutzucker
• Stiftung Gesundheitswissen: https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/ernaehrung-lebensweise/wie-gesund-sind-kohlenhydrate
• DocCheck: https://flexikon.doccheck.com/de/Blutzucker
• Eat Smarter: https://eatsmarter.de/thema/diabetes/blutzuckerwerte
Bauchspeicheldrüse
• Leading Medicine Guide: https://www.leading-medicine-guide.com/de/anatomie/bauchspeicheldruese
• Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bauchspeicheldrüse
Versteckter Zucker in Lebensmitteln
• Seven Cooks: https://www.sevencooks.com/de/magazin/lebensmittel-mit-viel-zucker-FH7WajEnuMUkCGimWkEae#checkliste-alle-zuckerbomben-auf-einen-blick
• Fit For Fun: https://www.fitforfun.de/abnehmen/gesund-essen/ernaehrung-achtung-zuckerfalle-versteckte-zuckerbomben-in-lebensmitteln_aid_13833.html
Glucose Stoffwechsel (Glykolyse)
Das Thema wird in diesem konkreten Fall für angehende Mediziner veranschaulicht und ist deshalb recht komplex aufgebaut.
• Thieme: https://viamedici.thieme.de/lernmodul/547091/538871/glykolyse+übersicht+reaktionen+und+energiebilanz