Volker Schrader
Jeder Behandler von Krankheiten steht bei jeder Begegnung mit einem neuen Patienten vor vielfältigen Fragestellungen, die sich nur bedingt auf die konkrete Behandlung beziehen, sondern die im Vorfeld beantwortet werden müssen. Diese Fragen beziehen sich vor allem auf das Verhältnis von Schwere der Krankheit, aktueller Konstitution des Patienten und der Einschätzung des richtigen Weges einer therapeutischen Intervention. Dieser Artikel hat zum Ziel, diese vielfältigen, meta-diagnostischen Erkenntnisse zu systematisieren und Therapeuten Kriterien an die Hand zu geben, die eigenen Behandlungserfolge dadurch zu verbessern, dass man diese Kriterien der Therapieauswahl bezogen auf den jeweils aktuellen Status des Patienten der eigentlichen Therapie vorschaltet. Eine kurze Notiz sei noch gestattet zum stilistischen Umgang im Text: Mit „Patient“ sind immer beide Geschlechter gemeint. Dasselbe gilt für alle nicht geschlechtsneutralen Begriffe.
Wie kann ich mich orientieren?
Aktivierung der Selbstheilungskräfte versus Behandlung stark ausgeprägter Symptomatik
Betrachten wir die Situation einmal aus Patientenperspektive: Ausgangspunkt einer solchen Fragestellung ist immer eine Problemlage physischer oder psychischer Art, für deren Beseitigung der Patient eine Hilfestellung oder Unterstützung will, indem er eine Praxis aufsucht.
Es ist dabei sehr sinnvoll, vorher einen Kompass zu besitzen, indem auf dieser Metaebene gezielte Fragen gestellt werden, ob diese Unterstützung seine Selbstheilungskräfte anregen soll, oder ob er eine echte Hilfestellung für seine Problemlage benötigt.
Entscheiden wir uns für diese erste Variante, dann müssen wir wissen, ob dieses Problem des Patienten überhaupt durch die Selbstheilungskräfte bewältigt werden kann, vor Allem, wenn durch das Fehlen dieser Kräfte sein Problem ja erst entstanden ist, oder ob die Selbstheilungskräfte überhaupt in ausreichender Form aktiv sind.
Krankheiten entstehen ja durch die Störung der Homöostase des menschlichen Körpers, entweder durch spontane Störung des Gleichgewichtes oder durch hohen kontinuierlichen energetischen Aufwand, ständiges und damit chronisches Ungleichgewicht immer wieder zu korrigieren.
Dieses Problem entsteht im Stoffwechsel mit der Umwelt, selbstverursacht durch ungesunden Life-Style oder ungewollt durch Bedrohung zivilisatorischer (z.B. Zerstörung des Ökosystems) oder naturbedingter (z.B. die Covid-19 Pandemie) Art.
Spontane heftige Störungen durch Infektionen, Unfälle, Katastrophen usw. bedürfen sicherlich häufiger einer unterstützenden Behandlung, während die Therapie chronischer Indikationen im Normalfall sinnvoller durch die Aktivierung der Selbstheilungskräfte erfolgen sollte, wenn die Störung frühzeitig genug behandelt werden kann.
Generell gilt das Kriterium: Einflussnahmen auf die Aktivierung der Selbstheilungskräfte sollten bei leichteren Beschwerden und vor allem prophylaktisch eingesetzt werden, bei starken Krankheitsbildern empfiehlt es sich, direkte Unterstützung zur Bewältigung der Symptomatik zu empfehlen.
Welche Möglichkeiten gibt es?
Die Einheit der Gegensätze suchen
Zuerst stößt man bei der Suche auf therapeutische Gegensatzpaare: allopathisch-homöopathisch, Naturheilverfahren-Chemie, materielle – energetische Verfahren, Stoff -Placebo.
Diese Gegensatzpaare und ihre Bedeutungen sind durch ideologischen Streit überlagert. Es geht aber hierbei (d.h. bei der Gesundheit bzw. Krankheit) nicht um Glaubenssysteme oder anders ausgedrückt, Marketingstrategien für therapeutische Schulen, sondern ganz pragmatisch um den Grundsatz: Wer heilt hat Recht. Basta.
Bei der Auseinandersetzung um die Homöopathie versus Pharmakologie treibt dies kuriose Blüten, weil hierbei die Homöopathen meist davon ausgehen, dass die Homöopathie mit Herrn Hahnemann begonnen hat, und die Universitätsmedizin, dass die Homöopathie ausschließlich durch Globuli repräsentiert wird. Dabei vergessen beide, dass Hippokrates, auf den sie heute noch ihren Eid ablegen, Ihnen das Paradigma, Gleiches mit Gleichem zu behandeln, in die Agenda geschrieben hat.
Es gibt heutzutage real jede Menge homöopathische Arzneimittel, die allopathisch wirken -allerdings auf energetischer Basis – und in der Standardmedizin gibt es häufig homöopathische Interventionen. Ein chirurgischer Eingriff ist im weitesten Sinn eine homöopathische Herausforderung für den Körper (nach der Philosophie „Gleiches mit Gleichem“ oder noch besser genauer „Ähnliches mit Ähnlichem“!), die ultimative Herausforderung an die Selbstheilungskräfte. Gleichzeitig werden dabei meist auch unterstützende Faktoren eingesetzt (wie zum Beispiel Antibiotika).
Man kann erkennen, dass das Hauptproblem der Auseinandersetzung in diesem Richtungsstreit im Fehlen paradigmatischer Klarheit bzw. Systematik begründet liegt.
Das Gleiche gilt für die anderen Gegensatzpaare. Oft – wie z.B. beim Aspirin – ist ein Naturprodukt der Ausgangspunkt chemischer Weiterverarbeitung, in diesem konkreten Fall die Weidenrinde in Essigsäure aufgelöst. Auch Hustensäfte und diverse Tinkturen sind durch chemische Verfahren erzeugt.
Ebenfalls gibt es keine strikte Ausschließlichkeit bei materieller oder energetischer Behandlung, wenn wir an die Einstein´sche Formel e=mc2 denken, denn danach sind Materie und Energie unauflöslich miteinander verbunden.
Und last but not least wird keine Operation problemlos erfolgreich sein, wenn der Patient nicht an ihren Erfolg glaubt.
Was heißt das unterm Strich?
Therapie Individualisierung contra Schmalspurlösungen
Therapien sollten immer eine individuelle, auf die Krankheit und ihre Auslöser abgestimmte Kombination von verschiedenen Verfahren sein, denn dadurch werden Synergien erzeugt, die die therapeutische Wirksamkeit erhöhen.
Prophylaktisch sollten die Selbstheilungskräfte gestärkt werden, bevorzugt durch energetische Behandlung und Auflösung energetischer Blockaden, vor allem, wenn es um systemische Behandlungen geht. Dies gilt ebenfalls für eine leichte chronische Symptomatik. Aber es muss immer eine veränderte Rahmenbedingung vorliegen, die eine Symptomfreiheit überhaupt zulässt: Eine alkoholische Fettleber lässt sich nicht wirksam behandeln, wenn der Patient weiterhin Alkohol trinkt.
Im manifesten Krankheitsfall sind unterstützende Behandlungen angesagt und natürlich auch bei heftigen Infektionen, die das Immunsystem eh schon herausfordern. Starke chronische Symptomatik und Organschäden induzieren notwendig unterstützende Behandlungen. Ob dies durch Naturheilmittel oder chemisch erzeugte Monopräparate geschieht, hängt davon ab, ob schädliche, meist toxische Nebenwirkungen bei den natürlichen Präparaten vorliegen und deshalb besser auf die ganzheitliche Wirkung von Pflanzen verzichtet wird, oder andererseits mit den stark intervenierenden chemischen Monopräparaten nicht übertrieben reagiert wird und dadurch Kollateralschäden verursacht werden, wie dies durch den hemmungslosen Einsatz von Antibiotika geschah und auch heute noch vielfach geschieht bezüglich der massenhaften Zerstörung des Mikrobioms und der beinahe hilflosen Erzeugung der vielen Resistenzen.
Der Versuch, schädliche Nebenwirkungen zu begrenzen, ist immer sinnvoll. Der Mediziner, der Extended Medicine betreibt, also systemisch und unterstützend behandelt, sollte seine Patienten auffordern und bei Bedarf auch dabei unterstützen, den Beipackzettel zu lesen, um sie über die Nebenwirkungen und Kontraindikationen umfassend zu informieren. Die meisten, gesundheitlich unbedenklichen Mittel kommen aus der Phytotherapie.
Es ist sicherlich legitim, eine ganzheitliche Herangehensweise durch die Einnahme von (homöopathischen?) Konstitutionsmitteln zu versuchen.
Vielfach herrscht nicht nur bei Patienten, sondern auch bei ihren Behandlern ein falsches Bewusstsein vor, nämlich dass energetische oder homöopathische Arzneien nichts bewirken, wenn sie falsch eingesetzt werden. Sie müssen deshalb nicht unbedingt schädlich sein. Aber Mittel, die nicht wirken, braucht man auch nicht zu nehmen. Es gibt eben nichts, dass nicht wirkt, genauso wenig wie man nicht nicht kommunizieren kann (frei nach Watzlawick).
Mittel, die auf die Zellen wirken wie die Lichttherapie und die Arbeit an den Mitochondrien und den Zellmembranen, z.B. durch die Einnahme von Polyenylphosphatidylcholin (PPC, z.B. Memphosan als orale Variante), sind grundsätzlich zu empfehlen, auf diesen kann dann ein ganzes Konzept für Folgebehandlungen aufgebaut werden.
Schlussfolgerungen
Empfehlungen für die therapeutische Praxis
Schließen sie grundsätzlich keine Verfahren aus. Gehen Sie am besten ganzheitlich an die Sache heran, möglichst unter Einbezug des sozialen Stoffwechsels und Life-Style Ihrer Patienten.
Folgen sie den Ideen und dem dahinterstehenden Konzept von Extended Medicine: Nutzen sie die Errungenschaften der ganzen Menschheitsfamilie für Ihre Patienten.
Sind Patienten gesundheitlich erheblich angeschlagen und fühlen sie sich vor allem so, dann sollten Patienten unbedingt einen Heilpraktiker oder einen Arzt aufsuchen. Ein Heilpraktiker darf nur begrenzte Dinge tun; wenn er seriös ist, überweist er, wenn notwendig an einen Arzt. Dasselbe gilt auch umgekehrt. Ihre Kommunikation mit dem Patienten sollte so sein, dass sie ihn über Ihre Kooperationen mit Ärzten oder vice versa Heilpraktikern informieren. Je weiter Ihr Horizont ist und Sie zur Kooperation bereit sind, desto eher wird Ihr Patient Vertrauen zu Ihnen aufbauen.
Zu Recht meiden die aufgeklärten Patienten Propheten und Rattenfänger, die ihnen überschwängliche Erfolgsaussichten versprechen. Hüten Sie sich deshalb vor derartigen Ideologismen und Versprechungen.
Auch Heilen tut weh. Wenn Ihr Patient Streicheleinheiten benötigt, fordern Sie ihn empathisch dazu auf, diese bei seinen Partnern oder Freunden zu suchen. Der Heilberufler ist dafür nicht zuständig.
Die Konzentration der naturheilkundlich orientierten Praxis sollte auf der Prophylaxe liegen. Dafür eignet sich hervorragend die TCM mit ihrem Werkzeug der Akupunktur sowie naturheilkundliche oder homöopathische Ansätze. Diese Prophylaxe ist deshalb wichtig, weil viele gesundheitliche Probleme in den genetischen Anlagen Ihrer Patienten vorliegen, und wenn Sie als Behandler nicht ausreichend auf Ihre Patienten einwirken, bekommen sie die dahinter liegenden Krankheiten auch.
Bei chronischer Diagnostik ausschließlich pharmazeutische Produkte einnehmen zu lassen, sollte durch Sie so weit wie möglich eingeschränkt werden. Machen sie einen Versuch, diese durch Naturmittel bzw. energetische Behandlung zu ersetzen oder mindestens zu ergänzen.
Dies ist für Naturheilkundler eigentlich eine Binsenwahrheit: Auch in der Rekonvaleszenz sollten nicht pharmazeutische Produkte immer bevorzugt werden.
Es gibt auch bei den nicht pharmazeutischen Mitteln stark wirkende Therapien, die durchaus auch bei Krankheiten eingesetzt werden können: dazu gehört die Neuraltherapie, die Lichttherapie (Akupunktur-, Flächen- oder Blutlaser) und die Kinesiologie.
Erarbeiten Sie gewissenhaft mit Ihrem Patienten zusammen ein Behandlungskonzept. Je fundierter Ihr Patient dabei auch eigenständig mitarbeitet, desto mehr unterstützt ihn bei der Heilung sein Glaube.
Ist der Patient nicht in der Lage mitzuarbeiten, sollte er sich bedingungslos und vertrauensvoll auf seinen Behandler einlassen können, damit er den größten Nutzen aus der Beziehung zu Ihnen ziehen kann. Bedingungslos und vertrauensvoll meint nicht „unkritisch“, die Herstellung dieses Verhältnisses ist nicht per se einzufordern, sondern kann nur von beiden gemeinsam hergestellt werden.
Bieten Sie Ihren Patienten immer eine umfassende Analyse – denn dies ist Ihre wahre Stärke – und ein Gesamtkonzept an statt eines singulären Verfahrens, denn sie behandeln eine konkrete Persönlichkeit und befinden sich nicht in einem Supermarkt, in dem Sie eine Ware feilbieten. Der Patient – und Sie selbst auch – mag sich wie eine Ware verkaufen, sein Körper kann dies nicht.
Und merke: Eigenbeteiligung des Patienten ist der Schlüssel auf dem Weg der Heilung. Der Patient ist nicht sein Auto, das in eine Werkstatt gehört. Und Ihre Praxis ist keine Werkstatt.