Gastautor: Dirk Brandl, Sprecher Network Globalhealth
Ich möchte mich hier eines Kommentars enthalten, sondern lieber das Thema Statistik mit einigen Schlaglichtern aus medizinischen Journalen und Portalen aus den letzten Jahren beleuchten.
Ärzte Zeitung am 13.10.2022
Schottische Langzeitstudie – Fast jeder Zweite auch Monate nach COVID-19 nicht gesund
Eine Studie aus Schottland mit insgesamt 102.437 Patienten geht davon aus, dass jeder zweite mit einer Infektion bis 18 Monate nach Infektion Symptome entwickelt. Hier die Einschätzung der ÄrzteZeitung:
“Das Fazit des Studienteams: 6 bis 18 Monate nach einer COVID-19 fühlten sich fast die Hälfte der Betroffenen als nicht oder nur teilweise genesen. Von denen während der Langzeitbeobachtung nicht Genesenen berichteten 13 Prozent im Verlauf über eine Verbesserung und 11 Prozent über eine Verschlechterung. Negative Folgen traten häufiger nach einer schweren COVID-19 auf. Nach einer asymptomatischen SARS-Cov-2-Infektion wurden keine Folgen registriert. Eine Impfung vor einer Infektion könnte eine Schutzwirkung auch vor Spätfolgen haben.”
Jama Network 2022
Geschätzte globale Anteile von Personen mit anhaltender Müdigkeit, kognitiven und respiratorischen Symptomen nach symptomatischem COVID-19 in den Jahren 2020 und 2021
Schätzungsweise 6,2 % der Personen mit symptomatischer SARS-CoV-2-Infektion, die die akute Episode überlebten, wiesen mindestens einen der drei Long-COVID-Symptomcluster auf. Der geschätzte Anteil der Personen mit mindestens einem der drei Long COVID-Symptomcluster war bei Personen, die auf Intensivstationen (43,1 %) und auf allgemeinen Krankenhausstationen (27,5 %) aufgenommen wurden, höher als bei Personen, die nicht hospitalisiert waren (5,7 %), wobei der Anteil bei Frauen höher war als bei Männern.
Bei den Personen, die im Krankenhaus behandelt wurden, betrug die geschätzte mittlere Long COVID-Symptomdauer 9,0 Monate, basierend auf Daten aus sechs Studien mit 8660 Befragten mit symptomatischer SARS-CoV-2-Infektion. Bei Personen, die nicht ins Krankenhaus eingeliefert wurden, betrug die geschätzte mittlere Long COVID-Symptomdauer 4,0 Monate, basierend auf Daten aus 4 Studien mit 4918 Teilnehmern mit symptomatischer SARS-CoV-2-Infektion.
Insgesamt waren schätzungsweise 63,2 % der Personen mit Long COVID weiblich. Das geschätzte Risiko einer Long COVID nach 3 Monaten war bei Personen mit symptomatischer SARS-CoV-2-Infektion, die nicht hospitalisiert und jünger als 20 Jahre waren, niedriger (2,7 %) als bei Personen im Alter von 20 Jahren oder älter, und zwar sowohl bei Männern (4,8 %) als auch bei Frauen (9,9 %).
Web MD
Long COVID könnte die Wirtschaft Billionen kosten, sagen Experten voraus
Weitere Schlagzeilen
Eine Studie der University of Oxford vom September 2021 ergab, dass mehr als ein Drittel der Patienten zwischen 3 und 6 Monaten nach der COVID-19-Diagnose Symptome einer Long COVID aufwiesen. In einer chinesischen Studie hatten 55 % der COVID-19-Patienten zwei Jahre später ein oder mehrere anhaltende Symptome, berichteten Dr. Lixue Huang vom China-Japan Friendship Hospital in Peking und Kollegen in der Zeitschrift Lancet Respiratory Medicine im Mai 2022.
Nach Angaben der CDC ist das Alter ein Faktor. „Ältere Erwachsene haben seltener eine Long COVID als jüngere Erwachsene. Fast dreimal so viele Erwachsene im Alter von 50-59 Jahren haben derzeit eine Long COVID als diejenigen, die 80 Jahre und älter sind“, so die CDC. Frauen sowie rassische und ethnische Minderheiten sind mit größerer Wahrscheinlichkeit betroffen.
Viele Menschen leiden unter neurologischen Auswirkungen wie dem so genannten Gehirnnebel (brain fog), so Ziyad Al-Aly, MD, von der Washington University School of Medicine und dem VA St. Louis Health Care System, in einem Artikel in der Zeitschrift Nature Medicine vom September. Sie schätzten, dass 6,6 Millionen Amerikaner Hirnschäden im Zusammenhang mit einer COVID-Infektion haben.
„Einige der hier berichteten neurologischen Störungen sind schwerwiegende chronische Erkrankungen, die manche Menschen ein Leben lang beeinträchtigen“, schreiben sie. „Angesichts des kolossalen Ausmaßes der Pandemie und obwohl die absoluten Zahlen, über die in dieser Arbeit berichtet wird, gering sind, kann dies zu einer großen Anzahl von betroffenen Personen auf der ganzen Welt führen – und dies wird wahrscheinlich zu einem Anstieg der Belastung durch neurologische Krankheiten beitragen.“
Inzidenz, gemeinsames Auftreten und Entwicklung von Langzeit-COVID-Merkmalen: Eine 6-monatige retrospektive Kohortenstudie mit 273.618 Überlebenden von COVID-19
Medscape im Oktober 2022
Große Analyse rückt Long-COVID in neues Licht: „Nur“ rund 6% leiden darunter und die meisten erholen sich innerhalb eines Jahres
95% in Deutschland haben Antikörper; immer mehr Intensivpatienten; jeder 4. in Süddeutschland hat nach COVID länger Beschwerden
Web MD im Dezember 2022
Long COVID wird mit mehr als 3500 Todesfällen in Verbindung gebracht: CDC-Bericht
Gelbe Liste Online im Dezember 2022
Corona-Pandemie – Übersterblichkeit neu berechnet
In den Corona-Jahren 2020 und 2021 starben weltweit ca. 14,83 Millionen Menschen mehr, als ohne die Pandemie zu erwarten gewesen wäre.
Medscape im Mai 2023
Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und das US Census Bureau schätzen, dass 6,1 % der erwachsenen US-Bevölkerung mit einer langwierigen COVID-Erkrankung leben, und weltweit gibt es Millionen weitere Betroffene.
Meine persönliche Einschätzung
Ich habe in diesem Teil der Serie einmal aufzeigen wollen, dass die Statistiken, wer Long Covid (Post Vac?) hat, sich zum Teil widersprechen und dass eigentlich noch keine Klarheit darüber herrscht, wer betroffen ist, welches Geschlecht am meisten betroffen ist, ob es rassische Unterschiede in den Zahlen gibt und was in den nächsten Jahren auf uns zukommt. Ich habe hier vor allem aus internationalen Artikeln zitiert. Auch die deutschen Behörden wie das Robert-Koch Institut oder die Bundesärztekammer agieren sehr vorsichtig und schwammig mit der Zahlenbasis.
Hinzu kommt, dass es immer noch Ärzte und auch Studien gibt, die Long Covid zwar nicht leugnen, aber es ausschließlich auf psychische Probleme durch die Infektion, Impfung oder die Situation während der Pandemie zurückführen.
Je nachdem, was in den Publikationen zu Grunde gelegt wird, gibt es unterschiedliche Zahlen, wieviel Menschen unter Long Covid leiden. Hier wird es noch eine Weile dauern, bis wir eine solide Basis haben, wie hoch der Anteil der Infizierten ist, die Long Covid (PCS) entwickeln. Klar ist aber, dass wir an Long Covid nicht mehr vorbeikommen und ein enormer gesundheitlicher und auch wirtschaftlicher Schaden von der Pandemie zurückbleibt.
Wenn es wirklich stimmt, dass 6,1 % der gesamten Bevölkerung in den USA unter Long Covid Folgen zu leiden haben, dann finde ich diese Zahl extrem hoch, denn dort sind ja alle mit eingerechnet, auch die, die keine Infektion hatten.