Keine Falten, keine Sorgen – Macht Botox wirklich glücklich?

Macht Botox glücklich?
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2007 referierte Prof. Heckmann, Starnberg, auf der Master Conference des Netzwerk Ästhetik in Paris zum Thema Macht Botox glücklich? Grundlage seines Referates war eine wissenschaftliche Untersuchung einer von ihm geleiteten Gruppe von der Ludwig-Maximilian-Universität München mit dem Titel Pharmacologic denervation of frown muscles enhances baseline expression of happiness and decreases baseline expression of anger, sadness, and fear (deutsch in etwa: Die pharmakologische Denervierung der Stirnmuskeln steigert den Grundausdruck von Freude und verringert den Grundausdruck von Ärger, Traurigkeit und Angst).

Hintergrund war die Behandlung der Zornesfalte (Glabella-Falte) mit dem Neuromodulator Botulinum Toxin A (bekannter Markenname ist Botox®). Der Neuromodulator ist in der Lage, übermäßige Muskelaktivitäten zu modulieren und dadurch die Zornesfalte zu mindern. Wenn man die Muskulatur der Glabella Region permanent zu stark anspannt, bleibt die Falte nämlich auch dann erhalten, wenn keine bewusste Muskelaktivität stattfindet, sondern sie ist immer sichtbar. Das verleiht dem Gesicht einen oftmals ungewollt grimmigen Ausdruck, der auch auf andere wirkt, die darauf mit Abstand reagieren.

Glücklich mit Botox ohne Mimikfalten

Wenn man nun die Aktivität der Muskeln in der Zornesfaltenregion reduziert, sodass sie nicht permanent sichtbar ist, sondern nur, wenn man wirklich zornig ist, verändert das natürlich das Erscheinungsbild der Person. Die Zornesfalte wird durch die Aktivität von 3 Muskeln erzeugt: dem corrugator („Stirnrunzler“) und depressor supercilii (zieht die Augenbraue nach unten) und dem procerus („Schlanker Muskel“, zieht die Stirnhaut zwischen den Augenbrauen nach unten). Jeder Muskel kann mit einer Skala von 6 verschiedenen Aktivitätsgraden oder Bewegungsmustern belegt werden:

  • Kinetisch
  • Hyperkinetisch
  • Hypertonisch
  • Hypokinetisch
  • Hypotonisch
  • Atonisch

Hyperkinetisch bedeutet beispielsweise eine stark vermehrte Muskelaktivität, atonisch bedeutet ohne jegliche Aktivität. Bei der Behandlung mit Botox geht es natürlich darum, ein „zu viel“ an Aktivität zu reduzieren.

4 Jahre später wurde diese Veränderung weiter untersucht von einer amerikanischen Gruppe und man legte die Idee einer „Facial Feedback Hypothese“ (siehe Bild aus der Publikation) zugrunde, die erstmalig von Charles Darwin verfasst wurde (allerdings natürlich unabhängig von Botox).
Einfach ausgedrückt bedeutet sie, dass man durch die (positive) Veränderung eines Gesichtes durch die Reduzierung der Zornesfaltenmimik mit Botulinum einen Kreislauf von Rückkopplungen auslöst, der weit über die behandelte Einzelperson hinausgeht: Die behandelte Person schaut weniger grimmig, was eine größere Nähe bei anderen auslöst. Diese positive Hinwendung wiederum löst bei der behandelten Person positive Gefühle aus, die den ganzen Gesichtsausdruck weiter positiv verändern, was wiederum auf die Umgebung zurückwirkt.

FacialFeedbackHypothes

Bereits 2006 hatten Psychologen vermutet, dass auch an Depression leidende Patienten von diesen Erkenntnissen profitieren könnten. 2021 schließlich untersuchten Psychologen der Uni Hannover die bisherigen Forschungsergebnisse zu diesem Zusammenhang in einer Meta-Analyse und kamen zu dem Schluss, dass Botulinum Toxin auch für die Behandlung von Depressionen und von Angstzuständen positive Effekte hat.
In einer 2022 veröffentlichten Untersuchung an Borderline Patienten wurde festgestellt – und das muss hier weiter diskutiert werden -, dass die Amygdala, eine für Emotionen zuständige Region unseres Gehirns, durch Botox Injektionen beeinflusst wird. Warum muss dies weiter diskutiert werden? Der Facial Feedback Mechanismus zeigt auf, dass unsere Wahrnehmung durch veränderte Bedingungen anders reagiert und dies wiederum auf den Auslöser dieser veränderten Wahrnehmung zurückwirkt. Wenn aber die Wirkung von Botulinum sich auf eine Gehirnregion ausbreitet, könnte dies eine von unserer Wahrnehmung unabhängige Ursache haben, indem das injizierte Botulinum von der Glabella bis in die Amygdala hineinwirkt. Dies wird in der Publikation nicht behauptet, aber man kann indirekt auf diese Möglichkeit schließen.

Zum Einsatz von Botulinum Toxin A gab es allerdings nicht nur positive Ergebnisse zu vermelden: Eine Arbeitsgruppe von David Havas untersuchte, wie sich Botox auf die Weitergabe von Emotionen in Texten auswirkt mit dem Ergebnis, dass die behandelten Teilnehmer der Studie emotional aufgeladene Sätze nicht gut rezipieren konnten.

Macht Botox also wirklich glücklich?

Das wäre eine Verkürzung von Zusammenhängen, die grundsätzlich zwischen Körper und Geist bestehen. In keiner Publikation wird beispielsweise auf die Spiegelneuronen eingegangen, deren Existenz ja seit etwa 10 Jahren bewiesen scheint. Diese Zwitter zwischen Körper und Geist, zwischen Materie und Bewusstsein, sind so wirksam, dass wir alle die ganze Zeit mit ihnen zu tun haben. Dabei geht es vor allem um Empathie. Wenn wir jemanden leiden sehen, können wir in uns dieses Leiden problemlos nachempfinden, wir spiegeln also sein eigenes Empfinden. Das ist natürlich auch bei einer Botulinum Toxin Intervention der Fall, wenn dadurch das äußere Erscheinungsbild verändert wird und das Gegenüber entspannter und offener aussieht, fühlen wir uns näher.

Dasselbe könnte man auch behaupten für die Einnahme von Cannabis oder von anderen Halluzinogenen. Dabei würde sich das Gegenüber zwar nicht verändern, aber unsere Wahrnehmung verändert sich oft auch positiv nach der Einnahme. Macht also Cannabis glücklich? Nein, weder Cannabis noch Botox machen glücklich, beide Stoffe können aber Veränderungen unterstützen, die wir allerdings immer noch selbst durchführen müssen. Die Studien zu psychischen Erkrankungen sind interessant aber dennoch mit Vorsicht zu genießen, denn es handelt sich um kurzfristige Ergebnisse (maximal 6 Monate), die außerdem nicht wirklich verblindet* abgelaufen sind, weil die Leute, denen man nur Kochsalz injiziert hat, natürlich merken, dass sich bei ihrer Glabella Falte nichts verändert.

* Doppelblindstudien sind solche, wo 2 Gruppen von Patienten nach dem Zufall gebildet werden, die nicht wissen, zu welcher Gruppe sie gehören, der Gruppe, die das Verum (den Wirkstoff) erhält oder der Gruppe, die das Placebo erhält. Doppelblind bedeutet, dass auch die behandelnden Ärzte nicht wissen, zu welcher Gruppe der jeweilige Patient gehört, was im Falle von Botox allerdings nicht passiert ist. Hier wurde nur den Patienten nicht gesagt, in welcher Gruppe sie sind.

Noch mehr zum Thema Faltenbehandlung mit Botox könnt ihr gerne hier nachlesen: https://abeautifulhealth.org/beauty-med/falten-botox/

 

Literatur der publizierten Studien:

    • Marc Heckmann et al.: Pharmacologic denervation of frown muscles enhances baseline expression of happiness and decreases baseline expression of anger, sadness, and fear, 2003 by the American Academy of Dermatology, https://doi.org/10.1067/S0190-9622(03)00909-5
    • Murad Alam et al.: Botulinum toxin and the facial feedback hypothesis: Can looking better make you feel happier? 2007 by the American Academy of Dermatology, Inc. https://doi.org/10.1016/j.jaad.2007.10.649
    • David A. Havas et al.: Cosmetic use of botulinum toxin-A affects processing of emotional language, Psychol Sci. 2010 July ; 21(7): 895–900. https://doi.org/10.1177/0956797610374742
    • Magid et al.: Treating Depression with Botulinum Toxin: A Pooled Analysis of Randomized Controlled Trials, Pharmacopsychiatry 2015; 48: 205–210, DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0035-1559621
    • Axel Wollmer et al.: Postmarketing safety surveillance data reveals protective effects of botulinum toxin injections against incident anxiety, Nature Scientific Reports (2021) 11:24173, https://doi.org/10.1038/s41598-021-03713-x
    • Jara Schulze et al.: Botulinum toxin for the management of depression: An updated review of the evidence and meta-analysis, Journal of Psychiatric Research 135 (2021) 332–340, https://doi.org/10.1016/j.jpsychires.2021.01.016
    • Tillmann H. C. Kruger et al.: Neuronal effects of glabellar botulinum toxin injections using a valenced inhibition task in borderline personality disorder, Nature Scientific Reports (2022) 12:14197, https://doi.org/10.1038/s41598-022-17509-0

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