Das stört mich – Disharmonien und Ästhetische Medizin

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Neben altersbedingten Veränderungen gibt es viele Aspekte, die die Harmonie stören können, und die oft rein ästhetisch sind, manchmal aber auch gesundheitliche Probleme bereiten können.

Vielleicht seid Ihr der Meinung, diese Disharmonien beträfen nur das Aussehen? Dann müssen wir Euch korrigieren. Neben dem Gesichtssinn sind häufig auch andere Sinne involviert: Übermäßiges Schwitzen oder Mundgeruch betreffen den Geruchssinn, eine schiefe Nase kann auch gesundheitliche Probleme bereiten und ein Absinken unserer Oberlider kann dazu führen, dass wir nicht mehr richtig sehen können.

Oft gibt es auch Störungen, die von Geburt an da sind, was uns die Frage aufwerfen lässt, ab welchem Alter denn solche Störungen beseitigt werden können und sollen?

In der ästhetischen Medizin gibt es eigentlich einen ehernen Grundsatz, nämlich den, dass die Patienten volljährig sein sollten, also über ihr Leben selbst bestimmen können. Aber wie dies bei Grundsätzen so ist, es gibt sie meist nicht ohne Ausnahmen. Volljährigkeit ist ein juristischer Begriff. Der medizinische Begriff dazu lautet analog, dass die Person, die behandelt werden will, zu mindestens voll ausgewachsen sein sollte.

Aber auch dieser medizinische Grundsatz kennt seine Ausnahmen. Wir möchten diese Problematik hier ein wenig ausführlicher besprechen. Ihr alle habt vielleicht noch ein Bild von Michail Gorbatschow vor Augen. Von Geburt an hatte er ein Naevus Flammeus auf seiner Stirn, im Volksmund auch als Feuermal bezeichnet. Diese Störung ist die am häufigsten vorkommende Gefäßfehlbildung bei Kindern. In seiner Zeit als Parteichef wurde das Feuermal von der Parteipropaganda oft wegretuschiert, später ist er mit dieser Disharmonie sehr gut klargekommen. Heute kann diese Fehlbildung leicht therapiert werden mit einem Laser. Es ist kein großes Problem, sie zu entfernen. Sollte man damit bis zur Volljährigkeit warten und dem Kind dadurch eine schwierigere Kindheit zumuten? Beantwortet Euch die Frage selbst. Neben dem Feuermal gibt es eine ganze Reihe von Fehlbildungen der Haut, beispielsweise die Hämangiome oder Blutschwämme, die zu noch größeren Störungen der Harmonie führen können oder etwa größere Muttermale an der falschen Stelle.

Hier ein anderer Fall, der das Gegenteil zeigt: Ein 14-jähriger Junge kam in die Praxis eines Netzwerk Arztes wegen der Behandlung seines Ohrkeloids. Das Keloid ist eine gutartige Narbenwucherung und hatte ca. die Größe einer Kirsche. Im Gespräch stellte sich heraus, dass vor allem die Eltern des Jungen an einer Entfernung interessiert waren, dem Jungen war es vielleicht nicht egal, aber ihm war es nicht wichtig, er hatte viel drängendere Probleme, zum Beispiel die nächste Klassenarbeit. Ein Fall für die Therapie? Wie beurteilt Ihr den Fall? Der aufgesuchte Arzt hat unter diesen Bedingungen die Behandlung abgelehnt.

Wir haben Euch diese Beispiele dargestellt, weil wir möchten, dass Ihr erkennt, dass Ärzte immer den ganz konkreten Einzelfall bewerten müssen mit der Einschränkung, dass möglichst viele Veränderungen der Disharmonie erst dann durchgeführt werden sollten, wenn die Volljährigkeit erreicht ist. Mit welchen Störungen haben wir es dabei insgesamt zu tun? Wir möchten Euch hier eine kleine Zusammenstellung geben, damit Ihr entscheiden könnt, ob Ihr in diese Patientengruppe gehört.

Disharmonien und Fehlbildungen der Haut

Dies betrifft alle Hautkrankheiten, die sichtbar sind sowie Fehlbildungen wie die oben beschriebenen. In diese Rubrik fallen außerdem alle sichtbaren Narben, vor allem die Typen, die einen positiven Gesamteindruck schmälern können wie hypertrophe Narben (Narbenwülste), Keloidnarben (Wuchernarben) und Aknenarben.

Zu groß, zu klein, zu schief, falsch gewachsen

Unter diese Rubrik können wir vor allem solche Disharmonien aufnehmen, die über operative Verfahren behandelt werden.

Die Brustvergrößerung (Mamma- oder Brustaugmentation) ist die zahlenmäßig am häufigsten durchgeführte ästhetische Operation. Warum sie sich solcher Beliebtheit erfreut, hat vielfältige Gründe. Wichtig ist uns, dass der Wunsch zu einer derartigen chirurgischen Intervention unbedingt von der betroffenen Person selbst kommen muss. Wenn der Partner die Brustvergrößerung will, ist dies nicht hinreichend, vielmehr sollte der Partner auch damit einverstanden sein.

Nasenoperationen (Rhinoplastik) werden häufig nicht allein aus ästhetischen Gründen durchgeführt. Oft begleiten medizinische Gründe den ästhetischen Eingriff. Hier können viele verschiedene Gründe zu einem Veränderungswunsch führen: Schiefheit, Größe, Nasenbeinbruch oder Verwachsungen (Hakennase) können den Wunsch zu einer Veränderung beflügeln.

Auch die Brustverkleinerung wird häufig nicht allein aus ästhetischer Motivation heraus durchgeführt. Zu große Brüste können zu Haltungsschäden führen, die dann chronische Schmerzen verursachen. Aber es gibt auch viele Patientinnen, die sich einfach disproportioniert fühlen.

Das Anlegen von Segelohren (Otoplexie) ist beispielsweise ein Eingriff, der häufig auch schon in jugendlichem Alter durchgeführt wird, um den Kindern die bekannten Schmähungen zu ersparen. In diese Kategorie gehört auch das Schielen, das heute auch operativ korrigiert werden kann.

Weitergehende Störungen

Wir hatten bereits übermäßiges Schwitzen (Hyperhidrose) erwähnt, die wohl bekannteste olfaktorische (= den Geruchssinn betreffende) Störung. Viele Patienten fühlen sich unwohl, wenn ihnen die Störung bewusst wird, entweder weil sich die bekannten Flecken in den Achselhöhlen bilden, weil die Hände immer nass sind oder aber weil andere sie auf den Geruch aufmerksam machen. Wohlgemerkt, Schwitzen ist eine sehr sinnvolle Körperreaktion. Nur bei denen, wo diese aus dem Ruder läuft, sind therapeutische Maßnahmen angemessen. Für diese Indikation gibt es eine ganze Reihe von chirurgischen und minimal invasiven Verfahren.

Mundgeruch ist ein Problem, das durch keine ästhetische Intervention zu lösen ist. Hier sind andere Fachdisziplinen gefordert, um helfend einzugreifen.

Psychische Störungen

Auch psychische Störungen können zu einem schlechten Selbstbild führen. Ist Dein schlechtes Selbstbild durch eine psychische Störung verursacht (z.B. weil Du Dich minderwertig fühlst), solltest Du dies keinesfalls negativ bewerten. Du solltest aber unbedingt wissen, dass es keine ästhetische Intervention gibt, die daraus einen Ausweg anbieten könnte. Was auch immer Du ästhetisch verändern lässt, nichts wird Dir dabei helfen, Dein schlechtes Selbstbild zu verlieren.

Die medizinische Indikation

Ob ästhetische Interventionen bei körperlichen Disharmonien medizinisch notwendig sind, wird in einem breiten Diskurs diskutiert. Viele Hautfehlbildungen beispielsweise werden von den Kassen übernommen, was immer einen gesellschaftlichen Konsens signalisiert, dass sie medizinisch notwendig sind. Umgekehrt gibt es einige Therapien, die aufgrund ihrer Studienlage tatsächliche Hilfe anbieten können, wo aber die Kassen eine Kostenübernahme ablehnen, etwa bei der intraläsionalen Kryochirurgie zur Beseitigung von Keloiden; einfach deshalb, weil diese Therapien noch nicht in die entsprechenden Richtlinien zur Behandlung aufgenommen sind. Alle übrigen Indikationen wie Brustvergrößerungen etwa werden in keinem Fall von den Kassen übernommen (außer nach Brustamputationen bei Krebspatientinnen) und gelten damit als nicht medizinisch indiziert.

Hier setzt der Diskurs und die Auseinandersetzung zwischen ästhetisch arbeitenden und allen übrigen Ärzten ein. Die Ästhetiker sind nämlich grundsätzlich der Ansicht, dass sie die Präambel der Weltgesundheitsorganisation ernst nehmen sollten und dass es keine Unterscheidung von medizinisch und ästhetisch indiziert geben darf. Wir möchten hier nicht leugnen, dass bei schweren Erkrankungen wie beispielsweise Krebserkrankungen die uneingeschränkte Übernahme durch unser Kassensystem eine andere Bedeutung hat, als wenn wir uns „nur“ damit beschäftigen, dass sich Menschen wohler fühlen. Auch wir sehen den Unterschied, der auf den ersten Blick so lautet, dass wir es einerseits mit einer lebensbedrohlichen Krankheit zu tun haben, während andererseits bei der Ästhetik die akute Bedrohung nicht im Vordergrund steht. Wir wollen auch nicht so vermessen sein und die Kostenübernahme von ästhetischen Behandlungen durch die Kassen fordern.

Dennoch gibt es hier die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung, denn auch eine psychische Unzufriedenheit – und dies zeigen die steigenden Zahlen der psychischen Probleme – kann letztlich zum Tod führen, zumindest aber dazu, dass man sich nicht wohl fühlt. Wer sich der medizinischen Ethik verpflichtet fühlt, die sich in der Präambel der WHO widerspiegelt – nämlich allen Menschen durch Medizin zu helfen, einen Zustand vollständiger Gesundheit zu erreichen, der sich darin zeigt, dass man sich rundum wohlfühlt – der ist auf der richtigen Seite, unabhängig davon, ob eine Gesellschaft beschließt, dass derartige medizinische Behandlungen Privatsache von Patienten sind und von diesen deshalb selbst bezahlt werden müssen.

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